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Finnisches Roulette

Finnisches Roulette

Titel: Finnisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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Kälte? Der Kampf ums Überleben war es jedenfalls nicht.
    Diese Gedanken wurden durch andere Überlegungen abgelöst, aber die Verbitterung blieb. Das Verschwinden des Testaments drohte alles zunichte zu machen. Magadla hatte ein Treffen und ein Gespräch mit Nelson gefordert, aber der war nicht einmal bereit, darüber auch nur zu reden, obwohl sie doch eigentlich ein gemeinsames Ziel verfolgten.
    Magadlas Beinmuskulatur war von dem langen Anstieg schon steinhart, als er Wim de Lange endlich erblickte, der ganz locker auf dem kurzgeschnittenen Rasen saß und Wasser aus einer Plastikflasche trank. Er sah aus wie ein etwafünfzigjähriger Tourist, nur die abgenutzten Springerstiefel störten das Bild.
    »Kunjani kuwe?«
Zu Magadlas Überraschung begrüßte de Lange ihn in Xhosa und reichte dann seinem erschöpft wirkenden Auftraggeber die Wasserflasche.
    »Ndikhona enkosi«,
antwortete Magadla keuchend, trank gierig und setzte sich neben de Lange auf den Rasen. Er betrachtete eine Weile die Landschaft: Der Lohrberg mit dem vielen Grün und das moderne Zentrum Frankfurts am Horizont bildeten einen Gegensatz. Und sie saßen beide auf dem Rasen wie ein verliebtes Pärchen, dachte Magadla. Der schwarze Freiheitskämpfer und der Sicherheitspolizist, die Verkörperung aller Untaten der Buren.
    Er kam zur Sache und berichtete de Lange von der neuesten Wende im Geschehen. »Die Sicherungsgruppe wird noch einmal gebraucht. Konrad Forster muß gefunden werden«, sagte er schließlich und fragte direkt, ob de Lange glaubte, das schaffen zu können.
    »Ich brauche ein paar Stunden, dann habe ich ihn ausfindig gemacht. Etwa zwanzig Jahre lang habe ich Menschen in Slums gesucht, in Hütten, die nicht einmal eine Adresse hatten«, sagte de Lange selbstsicher, bevor ihm klar wurde, mit wem er sprach. Er warf Magadla einen Blick zu und sah in dessen Augen, was er dachte. Es war de Langes Beruf gewesen, Kameraden, Freunde, vielleicht auch Verwandte von Magadla zu verfolgen. »Und Forster ist im Untertauchen nicht einmal ein Profi so wie damals eure Besten«, fuhr er ruhig fort.
    Wim de Lange stand auf und betrachtete nachdenklich den Rasen. Aus irgendeinem Grund beschloß er, Magadla zu erzählen, was er über Oberst Agron wußte. Er wunderte sich selbst, warum er das tat, vielleicht war es eine Art Entschädigung für die Vergangenheit. In seiner Laufbahn als Mitarbeiter der Sicherheitsdienste Südafrikas gab es Momente,auf die er nicht sonderlich stolz war, aber nur für ein Projekt der weißen Apartheid-Administration schämte er sich.
    De Lange setzte sich wieder hin und erzählte von dem Forschungslabor Roodeplaat der südafrikanischen Armee, das am Rande von Pretoria lag. Dort hatte man Gifte entwickelt, die so wirkten, daß man annehmen mußte, die Opfer seien eines natürlichen Todes gestorben. Die Giftstoffe wurden auf die Klebeflächen von Briefkuverts aufgetragen, in Zigarettenfilter oder Süßigkeiten hineingespritzt. Die verteilte man dann als Geschenke an Apartheid-Gegner, die nichts Böses ahnten. Unter der Leitung von Doktor Wouter Basson hatte man in Roodeplaat auch einen Impfstoff entwickelt, der Dunkelhäutige sterilisieren sollte, berichtete de Lange. Die Falten auf Magadlas Stirn wurden noch tiefer.
    De Lange zögerte einen Augenblick. »Wouter Basson träumte davon, eine Biowaffe zu schaffen, die nur Schwarze tötete. Die offizielle Version der Wahrheit lautet, sie sei damals vor dem Machtwechsel nicht mehr fertig geworden. Aber eine ganze Menge mosambikanischer Soldaten, die man in der Nähe der südafrikanischen Grenze tot aufgefunden hat, wären da vermutlich anderer Meinung. Nicht einmal die Wissenschaftler der UNO haben jemals die Ursache für ihren Tod entdeckt.«
    Magadla ahnte Schlimmes. Er hatte Gerüchte über die Greueltaten gehört, die in dem Labor geplant worden waren. »Und welchen Zusammenhang gibt es mit anderen Dingen?« fragte er.
    »Die Wissenschaftler des Biowaffenforschungsinstitutes Ness Ziona der israelischen Armee und des Forschungslabors Roodeplaat haben bei der Entwicklung biologischer Waffen zusammengearbeitet, bis Südafrika sein Programm 1993 einstellte. Israel hat sein eigenes Entwicklungsprogramm fortgesetzt. Überwacht wurde das israelische Biowaffenprogrammim Auftrag der Armee von einem Oberst namens Saul Agron.«
    Der Haß loderte in Magadla auf. Waren die Menschen um der Macht willen zu allem bereit? Zur Abscheu gegen die Pläne, von denen de Lange erzählt hatte, kam nun noch

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