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Finnisches Roulette

Finnisches Roulette

Titel: Finnisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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himmlische Duft gegrillter Wurst in die Nase stieg. Er stand auf und ging gemächlich in die Richtung, aus der es so gut roch.
    Am Fahnenmast von Väisäläs massivem Blockhaus flatterte die finnische Flagge, und auf dem Terrassentisch warteten neben einem repräsentativen Getränkeangebot neue Kartoffeln, Hering, geräucherte Maränen und die anderen Mittsommerdelikatessen. Die lässigen Bewegungen Lapas, der am Gasgrill hantierte, ließen Ratamo vermuten, daß der Hausherr sich schon mit ein paar Flaschen Bier eingestimmt hatte.
    »Erinnert sich jemand an Einzelheiten in Naantali?« fragte Ratamo, um die quälenden Selbstvorwürfe etwas zu lindern. Für einen Augenblick herrschte absolutes Schweigen.
    »Fahren wir heute nach Naantali?« Erwartungsvoll begann Väisälä zu spekulieren, welche Gaststätten für den kommenden Abend am besten geeignet wären.
    Ratamo reagierte allmählich mit Symptomen einer Allergie auf Lapas ständige Geschichten über Frauen, denen zufolge er mehr Evas flachgelegt als Präsident Kekkonen mit Handschlag begrüßt hatte. Ratamo kannte Väisäläs Geschichten schon seit ihrem Medizinstudium.
    Väisälä kam immer mehr in Fahrt. »Wußtet ihr, daß es in Guam Männer gibt, deren Arbeit darin besteht, mit Jungfrauen zu schlafen …«
    »Darf man schon essen?« fragte Aalto, auch er hatte es satt, daß Lapa ständig auf demselben Thema herumritt.
    Der Hausherr forderte sie auf, am Tisch aus rohem HolzPlatz zu nehmen. Ratamo begnügte sich vorerst mit einer kleinen Kartoffel, einem Klümpchen Butter und einem Stück Senfhering und spülte alles mit einem kräftigen Schluck Bier hinunter. Nun sah das Leben gleich viel freundlicher aus, es würde schon alles in Ordnung kommen. Er stach mit der Gabel in eine vor Fett zischende Wurst und griff nach der Senftube.
    »Ach übrigens, Aatsi. Irgendein Typ namens Wrede von der Sicherheitspolizei hat heute früh angerufen und nach dir gefragt. Ich habe ihm gesagt, daß es nicht viel Sinn hat, dich vor morgen mittag anzurufen. Und das ist wahrscheinlich auch noch zu früh«, erzählte Väisälä lachend.
    Ratamo entfuhr eine ganze Sturzflut von Flüchen.
    7
    Auf der Terrasse des Restaurants »Meritalli« in Töölö herrschte schon gegen Mittag reger Betrieb, denn viele Städter verbrachten den Mittsommertag mit dem Boot auf dem Meer vor Helsinki. Das Knattern der Motorboote vermischte sich mit dem fröhlichen Stimmengewirr auf der Terrasse. In einer Wolkenlücke tauchte die Sonne auf und färbte das Wasser der Taivallahti-Bucht grün. Die Fahnen und Wimpel der Boote und auch die Locken auf Lauras Schultern bewegten sich im Wind. Das brachte ein wenig Erleichterung, bei dieser Hitze schwitzte sie unter den dicken Rastalocken. Vorsichtig hob die kleine, zierliche Laura ihre Füße auf den Stuhl und hockte mit angezogenen Beinen da wie ein Embryo im Mutterleib. Sie wartete auf ihre Freundin Eeva, eine Juristin.
    Nervös kaute Laura an ihren Fingernägeln, sie hatte Angst. Ein Tag hatte alles geändert. Bei dem Gedanken, daß man Sami des Mordes und sie der Beihilfe verdächtigte, liefes ihr kalt den Rücken herunter. Die Polizisten hatten das am Vormittag bei ihrem Verhör angedeutet. Um Sami zu helfen, hatte Laura alles nur Erdenkliche versucht und in ihrer Verzweiflung den Polizisten gegenüber sogar geschworen, sie wäre im selben Fahrstuhl wie Dietmar Berninger und Sami gewesen. Diese dumme Lüge bereute sie jetzt. Sami hatte natürlich nicht dieselbe Geschichte erzählt, weil die Polizisten sie nicht miteinander reden ließen.
    Lauras Freundin war nun schon ein Glas trockenen Apfelweins zu spät. Eeva verbrachte den Mittsommer wegen ihres Bauches in der Stadt; Laura erinnerte sich, daß der Entbindungstermin in der Zeit des Schulanfangs lag. Jetzt ärgerte sie sich, daß sie das »Meritalli« vorgeschlagen hatte, wegen ihr mußte die hochschwangere Freundin von Kirkkonummi bis nach Töölö fahren, nur weil Laura auf ihrer Lieblingsterrasse sitzen wollte.
    Laura trommelte mit den Fingern auf den Einband des »Leviathan«. Das erstemal seit vielen Jahren fühlte sie sich so gestreßt, daß sie sich nicht einmal auf einen guten Roman konzentrieren konnte. Ihr Gehirn wollte immer noch nicht verstehen, was geschehen war. Natürlich passierten den Menschen in Filmen und Büchern und – wenn man den Zeitungen und dem Fernsehen Glauben schenken konnte – auch im wirklichen Leben unglaubliche Dinge, aber niemand nahm an, daß es ihn selbst treffen

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