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Finnisches Roulette

Finnisches Roulette

Titel: Finnisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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könnte. Noch gestern hatte sie mit dem Mann, den sie liebte, ihre Wohnung renoviert, und heute behauptete die Polizei, sie habe einen Mörder geheiratet. Laura sehnte sich so sehr nach Sami, daß es in der Brust schmerzte. Sie versuchte die Erinnerungen zu ersticken, aber die drängten sich mit Macht immer wieder in ihr Gedächtnis: der Heiratsantrag Samis im Skilift in Madonna di Campiglio, die Hochzeitsfeier im »Casino« in Kulosaari, die Hochzeitsnacht und die Hochzeitsreise …
    Beim Gedanken an die Hochzeitsreise vergrub Laura ihr Gesicht in den Händen. Die Woche in Assuan, an der Südgrenze Ägyptens, und den grandiosen Blick auf den Nil aus dem Zimmer im Hotel »Old Cataract« würde sie nie vergessen. Dieser Ort hatte einst sogar Caesar und Cleopatra gefallen. Sami konnte romantisch sein, obwohl er ansonsten gern den Macho spielte. Laura zwang sich, nicht mehr an die glücklichen Augenblicke, sondern an die zahllosen kleinen Streitereien zu denken, die sie in ihrem Jähzorn vom Zaun gebrochen hatte. Jetzt bereute sie alle. Und auch ihre Geheimnisse. Warum wagte sie nicht, ehrlich zu sein …
    Laura schrie auf, als sie sich ins Nagelbett biß. Auch das noch, sie knabberte wieder wie eine Verrückte an ihren Nägeln. Das Selbstmitleid übermannte sie. Eigentlich wollte sie doch nichts weiter als ein kleines Stück vom Glück, aber selbst das bekam sie nicht. Drehten alle Männer durch, mit denen sie zusammen war, und lag das an ihr? Oder zog sie Idioten magisch an? Vor Sami hatte sie drei ziemlich kurze Beziehungen mit Männern gehabt: Der erste Held verschwand unerwartet auf Nimmerwiedersehen zusammen mit ihrem Fernseher, der zweite ging fortlaufend fremd wie ein Hausierer, und der dritte kommunizierte nur mit der Flasche. Laura hatte schon geglaubt, daß die Schläge ihrer Mutter und die schlechten Erfahrungen mit Männern ihre Fähigkeit, anderen Menschen zu vertrauen, abgetötet hatten. Doch dann begegnete sie Sami. Und diesmal stimmte sofort alles. Sie wußte nicht, warum, und sie wollte es auch gar nicht wissen, es genügte ihr, daß es so war.
    Manchmal kam es ihr so vor, als läge ein Fluch über ihrer ganzen Sippe. Ihr zurückgezogen lebender Bruder meldete sich nur zwei-, dreimal im Jahr, und das Leben ihrer Eltern war zerrüttet gewesen. Die Entscheidung der Mutter konnte Laura allerdings verstehen. Ihr Vater mußte nach einigen Ehejahren gehen, weil man ihn im Bett der Schwester ihrerMutter in flagranti erwischt hatte. Wahrscheinlich war es unmöglich, so einen Seitensprung zu verzeihen, ihre Mutter jedenfalls hatte es nie vermocht – und verbittert ihren Frust an der Tochter ausgelassen. Der Vater hingegen soff sich in zwanzig Jahren zu Tode. Beide starben, bevor sie das Rentenalter erreicht hatten.
    Lauras Verzweiflung wuchs, als sie sich ihr Leben ohne Sami vorstellte. Dann bliebe ihr nur noch die Arbeit. Sie hatte von klein auf Unterstufenlehrerin werden wollen, aber auch der Traumberuf allein konnte nicht all ihre Bedürfnisse befriedigen. Vier Monate Zusammensein und eine unvollendete Renovierung, sollte das alles sein, was sie von ihrer Ehe hatte? Ihre Stimmung sank auf den Tiefpunkt, als ihr klar wurde, daß sie sich hier selbst bedauerte, dabei war es doch Sami, der im Polizeigefängnis saß und leiden mußte. Resolut nahm sie sich vor, daß jetzt Schluß sein mußte mit dem Gejammer.
    »Laura!« rief Eeva an der Terrassentür, sie lächelte und ging langsam in ihrem watschelnden Gang auf Laura zu, in der Hand hielt sie einen Pappteller, von dem Fett auf die Dielen der Terrasse triefte. Die Freundin hatte an der Holzbude auf dem Hof des Restaurants eine Portion kleine Maränen gekauft. »Entschuldige. Ich habe mindestens eine halbe Stunde auf den Bus gewartet. Leider hatte ich nicht daran gedacht, daß heute der Fahrplan für Feiertage gilt«, sagte sie und keuchte.
    Laura tätschelte den Bauch ihrer Freundin und sah in Eevas Lächeln Glück und Stolz. Die geräucherten Fische dufteten himmlisch.
    »Die Dreadlocks sehen gut aus.« Eeva strich über Lauras Haare und kam langsam wieder zu Atem. Doch ihr Puls beschleunigte sich erneut, als Laura über die Ereignisse des Vortages berichtete und beim Tod des Diplomaten, bei der Tasche, dem Geld und Samis Verhaftung anlangte.
    »Wie, um Himmels willen, kann ich beweisen, daß Sami unschuldig ist?« fragte Laura zum Schluß ihres langen Ergusses. Sie fühlte sich sofort erleichtert, weil sie über all das reden konnte; es kam ihr so vor, als

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