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Finnisches Roulette

Finnisches Roulette

Titel: Finnisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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Herkunft der Fasern am Hals Berningers zu klären.
    Unvermittelt fiel ihm Saara Lukkaris Zusammenfassung der Projekte dieser Tochterfirma von H & S Pharma ein. Es war schwierig, zu begreifen, was die Zukunft alles mit sichbringen würde: das Klonen von Menschen, die Kreuzung verschiedener Arten von Lebewesen, Kinder auf Bestellung … Ihm schauderte schon allein bei dem Gedanken, daß man mit Hilfe der Gentechnologie bald Waffen entwickeln könnte, die die Kriegsführung umwälzen würden.
    Sein Handy klingelte, und Nellis Name tauchte auf dem Display auf. Sie rief mit ihrem brandneuen Handy immer mal wieder an, obwohl Ratamo gepredigt hatte, die Rechnung dürfe dreißig Euro nicht um einen Cent überschreiten. Seiner Meinung nach brauchte ein neunjähriges Mädchen kein Handy, aber in dem Durcheinander nach der Abreise Riittas hatte er sich dazu hinreißen lassen, das Telefon zu kaufen und sein Kind damit zu bestechen.
    »Hallo, Vati. Unser Mittsommer war echt toll. Jussi ist gestern aus dem Boot gefallen, als er die Reuse …« Nelli lachte lauthals. »Und was hast du so gemacht?«
    Ratamo erzählte ihr gerade eine kindgerechte Version seiner Mittsommererlebnisse, als er hörte, wie Jussi Ketonen mürrisch irgend etwas murmelte. »Rufst du aus dem Auto an?« fragte Ratamo und erfuhr, daß die drei in ein paar Minuten bei ihm ankommen würden.
    Ratamo erschrak. »Wolltet ihr nicht erst morgen in die Stadt zurückkommen?«
    »Jussi hat zu tun. Irgend etwas Geheimes. Er sagt es nicht«, flüsterte Nelli.
    Ratamo beendete das Gespräch, jetzt war Eile geboten. Er fegte durch die Zimmer, das war die einzige Arbeit im Haushalt, die er gern machte, aber nach Riittas Abreise hatte er nicht einmal das getan. Hastig las er überall die Kleidungsstücke vom Fußboden auf, sammelte die leeren Bierflaschen und Fastfoodverpackungen ein und stapelte das schmutzige Geschirr in der Spüle. Dann ging er schnell ins Bad, putzte sich die Zähne und fuhr sich durch seine kurzen schwarzen Haare, bis sie die gewohnte Form annahmen.Sein Gesicht sah nach dem Waschen noch genauso mitgenommen aus wie vorher.
    Als Ratamo die Jeans anzog, klingelte es. Er schlüpfte ins T-Shirt und wäre im Flur beinahe gegen die zwei Meter hohe Wanduhr gerannt, weil er versuchte, im Gehen eine Socke anzuziehen.
    »Ist alles in Ordnung?« fragte Jussi Ketonen auf der Schwelle. Nellis Sommerkleid flatterte, als sie ihrem Vater um den Hals fiel, und Marketta betrachtete ihren ehemaligen Schwiegersohn, als würde sie nach Anzeichen des Verfalls suchen. Musti, die helle Labradorhündin des SUPO-Chefs, schnüffelte in aller Ruhe an Ratamos Socken. Der alten Hundedame gefiel offensichtlich, was sie da gefunden hatte.
    Ratamo hätte Ketonen am liebsten damit aufgezogen, was dem am nächsten Tag bevorstand, aber er durfte die Überraschung nicht verraten. »Wrede hat mich am Mittsommertag in die Ratakatu beordert«, schimpfte er, als sich alle ins Wohnzimmer begaben.
    »Du solltest zufrieden sein. Der Mord an Berninger ist als erste eigene Ermittlung gleich eine große Sache«, sagte Ketonen, um ihm Mut zu machen. Dann betrachtete er die Büste von Sigmund Freud, die auf dem Fensterbrett zwischen Lenin und Elvis vor sich hin starrte, und überlegte, ob er sie schon vorher da gesehen hatte.
    »Die habe ich vor einem Monat im Antiquitätengeschäft ›Fasan‹ gekauft. Der Weihnachtsmann steht jetzt in der Ferienhütte, dort sieht er besser aus«, erklärte Ratamo.
    »Und wie sieht es bei den Ermittlungen aus?« Ketonen bückte sich und kraulte Musti.
    Das Verhör Sami Rossis am Morgen sei Zeitverschwendung gewesen, berichtete Ratamo verärgert. Sie hätten nichts Neues aus Rossi herausbekommen. Dabei hatte er ihn vor dem Verhör beim Haftrichter antreten lassen. Dochseine Hoffnung, Rossi würde durch den Schreck über seine Verhaftung gesprächiger werden, hatte sich nicht erfüllt. Auch die Techniker hätten keinen Hebel gefunden, den man ansetzen könnte, um die Wahrheit aus dem Mann herauszuholen, meinte Ratamo verdrossen. Allerdings sei er im Laufe des Verhörs zu der Überzeugung gelangt, daß Rossi in seinem ganzen Leben nichts anderes getötet hatte als seine Gehirnzellen. Nur ein Genie wäre fähig, den Unschuldigen so überzeugend zu spielen, und ein Genie sei Sami Rossi ganz gewiß nicht.
    »Am Nachmittag wird der Wachmann aus dem ›Forum‹ befragt, und wir schauen uns Berningers Telefonverbindungsdaten an. Auch der Obduktionsbefund müßte fertig sein …

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