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Finnisches Roulette

Finnisches Roulette

Titel: Finnisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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Aber du weißt ja, wie so eine Ermittlung abläuft.« Ratamo war plötzlich klargeworden, daß es der Chef der SUPO war, dem er gerade einen Vortrag hielt.
    Ketonen wirkte nachdenklich und Marketta ungeduldig. Ratamos Ex-Schwiegermutter tadelte die Männer: »Könnt ihr denn nicht wenigstens zu Mittsommer die Arbeit mal beiseite lassen?«
    Nelli zog ihren Vater am Hosenbund in die Küche, sie wollte ihm vom Mittsommerfeuer am Pusulanjärvi-See erzählen. Ratamo war das nur recht, allerdings vermutete er, daß sich im Ferienhaus Markettas nichts auch nur annähernd so Aufregendes ereignet hatte wie in der Gegend von Rymättylä. Zum Glück. Seit Nelli wieder zu Hause war, hatte Ratamo bessere Laune, er beschloß also, seine Mittagspause noch um eine Viertelstunde zu verlängern, und ging schnurstracks zum Kühlschrank, um seiner Tochter ein Eis zu holen.
     
    Marketta Julin und Jussi Ketonen verabschiedeten sich auf der fast leeren Straße voneinander und gaben sich einen Kuß auf die Wange. Ketonen wollte nicht noch mit demAuto nach Kruununhaka gebracht werden, er behauptete, nach der Völlerei am Mittsommerwochenende brauche er Bewegung. Die Hosenträger waren über seinem vorgewölbten Bauch straff gespannt, man hätte auf ihnen wie auf einem Kontrabaß spielen können. Marketta bekam noch einen zweiten Kuß, dann verschwanden Mann und Hund in Richtung Vuorimiehenkatu.
    Die brütende Mittagshitze und das zügige Tempo führten dazu, daß Musti hechelte und Ketonen schnaufte. Es tat ihm trotzdem nicht leid, daß er es abgelehnt hatte mitzufahren. In Markettas Auto setzte sich Ketonen nur, wenn es sein mußte. Sonst war Marketta so gelassen und beherrscht wie keine andere Frau auf der Welt, aber am Steuer ihres Micra wurde sie zu Attila, dem Hunnenkönig: Sie hatte einen Bleifuß, überholte nur in Kurven und benutzte ihre Hupe öfter als die Blinklichter.
    Am Olympia-Terminal im Hafen rieb sich Musti an den Hosenbeinen ihres Herrchens, als wollte sie sagen, daß ihr die Lauferei bei der Hitze langsam reichte. Ketonen zog den widerstrebenden Hund beiseite und holte die Tüte mit den Leckerbissen aus seinem Beutel. Einen Schokoladenkeks gab er dem Hund, den anderen stopfte er sich selbst in den Mund. Nur einen Augenblick im Mund, aber auf den Hüften für immer – Markettas nur allzu oft wiederholte Mahnung fiel ihm ein.
    Nach der verdienten Stärkung gingen sie weiter. Ketonen fühlte sich in der Form seines Lebens. Er hatte sich entschlossen, seine Zukunft mit Marketta zu teilen und im nächsten Sommer in Rente zu gehen. Schon seit über einem Jahr rauchte er nicht mehr, und auch die Bandscheibe ärgerte ihn nur noch selten, dafür sorgten die Yoga-Übungen. Jetzt schmerzte der Rücken allerdings, vermutlich hatte er sich einen Muskel gezerrt, als er aus dem Boot gefallen war. Als nächste Etappe in seiner Entwicklung würde eine Diätauf dem Plan stehen, und außerdem müßte er aufhören zu wetten. Aus unerfindlichen Gründen hielt Marketta Glücksspiele für blödsinnig, ihrer Meinung nach lohnte es sich nur, Geld zu setzen, wenn es sich um solche sicheren Wetten handelte wie: »Auf Regen folgt Sonnenschein.«
    Auch der Tag seines Umzugs rückte näher. Ketonen war es recht, daß er in Markettas Wohnung in Ullanlinna einziehen würde. Sein eigenes Zuhause war vollgestopft mit Erinnerungen an eine fast vierzigjährige Ehe. Und von Markettas Wohnung bis zu Ratamo und ihrer Enkelin waren es nur ein paar Minuten. In Ketonens Leben fand neben Marketta nichts anderes Platz als Musti und die SUPO. Die SUPO müßte er bald gegen sein Dasein als Rentner eintauschen, und auch Musti würde nicht ewig leben.
    Das Duo lief am Makasiini-Terminal und an der Alten Kaufhalle vorbei und bog an der Ecke des Marktes in Richtung Katajanokka ab. Im Licht der Abendsonne kam das Gelb des Präsidentenschlosses gut zur Geltung. Die Möwen kreischten, obgleich die Fischhändler und ihre Leckerbissen längst verschwunden waren. Ketonen versuchte sich zu erinnern, welche Mitarbeiter der SUPO dieses Jahr das Mittsommerwochenende als Sicherheitsleute bei der Präsidentin in Kultaranta verbrachten, aber ihm fielen die Namen nicht ein.
    Er landete mit seinen Gedanken wieder bei der Arbeit und überlegte, warum er seit ihrer ersten Begegnung das Bedürfnis hatte, Ratamo zu helfen. Es war sein Verdienst, daß Ratamo die Berninger-Ermittlungen leiten konnte. Ketonen hatte Wrede im Laufe des Frühjahrs angedeutet, daß sein Säbelrasseln Ratamo

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