Finnisches Roulette
stopfen Mittel in sich hinein, von denen sie wissen, daß sie lebensgefährlich sind. Nur ganz wenige weigern sich, Mittel einzusetzen, die ihnen Nutzen bringen. Das gehört zum Wesen des Menschen«, predigte Ehud und gestikulierte so heftig, daß seine Haare flatterten.
Sein älterer Kollege Müllemann bemerkte, daß sich Ehud zu sehr ereiferte. »In einigen Ländern sind vier Fünftel der Eltern schon jetzt bereit, die Genmanipulation einzusetzen, um die physischen und geistigen Fähigkeiten ihrer Kinder zu verbessern. Die Manipulierung des Erbguts wird in der Medizin unausweichlich zum Alltag werden. Über kurz oder lang wird man in der DNS des Menschen Eigenschaften einspeichern wie Software-Updates in Computern«, erzählte Müllemann dem Oberst in aller Ruhe.
Ehuds Begeisterung hatte noch nicht nachgelassen. »Kannst du mir auch nur eine Erfindung nennen, auf die die Menschheit verzichtet hätte, weil sie gefährlich oder ethisch nicht akzeptabel war?« fragte Agron junior seinen konzentriert zuhörenden Vater.
»Das ist also der sicherste Weg, um mit Genefab Geld zu machen?« sagte der Oberst wie bei der Befehlsausgabe.
»Die Biotechnologieindustrie wird schon bald ein explosionsartiges Wachstum erleben«, versicherte Ehud. »Aufdem Gebiet sind schon jetzt Tausende Unternehmen aktiv, in die Investoren und Pharmaunternehmen Milliarden Dollar stecken. Als Eigentümer von Genefab wird Future Ltd. im Geld schwimmen«, versprach Ehud und äußerte die Vermutung, der nächste globale Großkonzern an der Seite von Microsoft und Nokia werde ein Unternehmen entweder der Bio- oder der Gentechnologie sein.
Der Oberst entschuldigte sich für die Unterbrechung, als sein Handy klingelte und der Name von Rafi Ben-Ami, dem Chef des Kommandos in Kraków, auf dem Display erschien. Er ging einige Schritte zur Seite und kam sofort zur Sache. »Wart ihr erfolgreich?«
»Bei den Vorbereitungen ja, aber die Inszenierung des Unfalls ist fehlgeschlagen, obwohl wir es geschafft hatten, daß die Frau an der richtigen Stelle war und die Ziegel herunterfielen. Du hattest vergessen zu erwähnen, daß die Finnin eine Armee von Leibwächtern hat, die sie schützt. Auch unsere Versuche, sie zu exekutieren, sind gescheitert. Laura Rossi hat vor kurzem Konrad Forster ihre Aktien übergeben«, berichtete Ben-Ami wütend.
»Was sagst du da, verdammt? Wiederhole das!« schnauzte der Oberst ihn an.
Ben-Ami unterrichtete ihn genauer über die Ereignisse des Vormittages, und je weiter er in seinem Bericht kam, um so heftiger wurden die Flüche Oberst Agrons. Die Wissenschaftler schauten neugierig zu ihm hin.
»Konrad Forster hat keine Leibwächter für die Finnin engagiert, das weiß ich«, sagte Oberst Agron, nachdem er ein paar Sekunden gebraucht hatte, um Ben-Amis Bericht zu verdauen. »Besorge für Verona sofort Verstärkung, mindestens zehn Mann. Eero Ojala muß sterben. Wenn du in Verona scheiterst, dann hilft dir keine Ausrede. Hast du mich verstanden?« zischte der Oberst.
Ben-Ami versicherte gleich mehrfach, er habe sehr wohlverstanden. »Und die Frau? Soll ich sie beschatten oder umbringen?«
»Weder noch. Laura Rossi ist jetzt unwichtig«, sagte der Oberst und beendete das Gespräch abrupt. Er massierte seine Schläfen, so konnte er sich besser konzentrieren. Dabei zog er schmerzhaft an den Härchen, die zwischen Augenbrauen und Haaransatz wuchsen. Durch das Panoramafenster sah er, wie ein Hubschrauber über dem Wolkenkratzer der Commerzbank-Zentrale aufstieg und an Höhe gewann.
Diese Nachrichten bedeuteten, daß es zum offenen Krieg um H & S Pharma und Genefab kam. Jemand hatte für die finnische Frau kompetente Leibwächter engagiert. Den Oberst beschäftigte die Frage, wer die Männer mit den kurzen Haaren waren und warum sie ihre Gegner nicht umbringen wollten, sondern Gummigeschosse und Betäubungspfeile verwendeten. Allerdings hatten auch die ihren Zweck erfüllt. Würde Eero Ojala in Verona auch so geschützt werden?
Oberst Agron beendete die Besprechung und reagierte gekränkt, als Ehud ging, ohne sich zu verabschieden. Es machte ihn zornig, daß der Sohn die Arbeit seines Vaters nicht schätzte. Und es ärgerte ihn auch, daß er nicht den Mut fand, Ehud zu sagen, was das wichtigste Motiv für die Eroberung von H & S Pharma war. Oberst Agrons Auftraggeber, der Eigentümer von Future Ltd., erwartete von der Zukunft noch mehr als Ehud. Deshalb wurde in Genefab auch das Erbgut der arabischen Völker erforscht, und
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