Finnisches Roulette
Halberstam«, beeilte sich seine Kollegin zu ergänzen.
»… wirklich keine Rolle in H & S Pharma spielt, obwohl sie immerhin fast die Hälfte des Unternehmens besitzt.«
Saara Lukkari machte gewissenhaft Notizen, blätterte dann in ihren Unterlagen und ergriff das Wort. Der Obduktionsbefund für Berninger sei fertig, enthalte aber nichts, was helfen würde, den Mörder zu finden. Der Gerichtsmediziner habe in seinem Befund allerdings festgestellt, daß Berninger eine große Dosis Betablocker genommen hatte, bevor er den Fahrstuhl betrat.
»Auch das noch«, seufzte Ratamo verärgert. »Ich werde bei der deutschen Botschaft anfragen, ob Berninger wegen irgendeiner Krankheit Medikamente erhielt. Eine große Dosis Betablocker kann Reaktionen hervorrufen, die an die Symptome eines Herzinfarktes erinnern: Schwindelgefühl, Blässe … Was zum Teufel steckt hinter alldem …«
Die Tür ging auf, und der Ermittler Ossi Loponen betrat den Raum.
»Tero Söderholm ist langsam reif. Er steht seit einer Viertelstunde im Wartezimmer von Verhörraum I.« Es war bei der SUPO üblich, Verdächtige, die zum Verhör kamen, erst einmal im Warteraum stehen zu lassen, in dem sich außer einer Überwachungskamera nichts befand.
»Hat er einen Rechtsanwalt dabei?« fragte Ratamo.
»Kein Anwalt«, rief Loponen schon an der Tür, er wünschte ihnen mit dem hochgehaltenen Daumen Glück und verschwand auf dem Flur.
»Dann wollen wir den Mann mal ein bißchen ausquetschen und die Wahrheit aus ihm herausholen.« Ratamo versuchte seine junge Kollegin in die richtige Stimmung zu bringen und hoffte, er könne Söderholms Widerstand mit den Informationen brechen, die sie am Vormittag gefunden hatte.
Die beiden Ermittler nahmen ihre Unterlagen, gingenzum Aufzug und fuhren ins erste Kellergeschoß hinunter. Ratamo rief sich gerade in Erinnerung, was er auf der Polizeifachhochschule in Psychologie gelernt hatte, da öffnete sich die Tür des Fahrstuhls, und zu seiner Überraschung sah er Jussi Ketonen. Der stand in einer etwas merkwürdigen Haltung im Foyer, den Rücken gegen die Wand gelehnt. Anscheinend hatte er wieder Probleme mit seiner Bandscheibe.
»Ich dachte, ich könnte ein wenig zuhören«, sagte Ketonen ganz locker.
Ratamo nickte, wunderte sich jedoch, warum sich der Chef der SUPO für den Wachmann des »Forum« interessierte. Am liebsten hätte er gefragt, ob Ketonen seine Fähigkeiten beim Führen eines Verhörs prüfen wollte, aber er verkniff sich die Bemerkung. Sein Handy klingelte, er sah die Nummer von Elina, fluchte und schaltete ab. Dann betraten die Mitarbeiter der SUPO hintereinander den Verhörraum und gaben Tero Söderholm die Hand.
»Können wir das Ganze auf Video aufnehmen?« fragte Ratamo und schaltete das Videogerät ein, als Söderholm nickte. Dann sagte er das Datum, die Uhrzeit, die Namen der Anwesenden und den Grund des Verhörs ins Mikrofon. Nur eine der Leuchtstoffröhren an der Decke brannte. In dem karg eingerichteten Raum mit seinen nackten Betonwänden war es stickig und duster.
Saara Lukkari breitete ihre Unterlagen auf dem Tisch aus, und Ratamo betrachtete Söderholm. Der etwa zwanzig Jahre alte Wachmann stützte seine Hände trotzig in die Hüften, und sein Blick wanderte unsicher von einem Mitarbeiter der SUPO zum anderen. Ratamo stellte sich vor, wie Söderholm in seiner Wachmannuniform mit geschwellter Brust durch das »Forum« patrouillierte.
»Du bist hier, weil du eines Verbrechens verdächtigt wirst. Wir untersuchen den Tod im Aufzug des ›Forum‹ alsMord, und du wirst dabei der Mithilfe verdächtigt. Es ist dir doch recht, wenn ich dich duze?«
Das Schweigen lastete bleischwer in dem Raum, als Ratamo Söderholms Datenprofil las: zehn Jahre allgemeinbildende Schule, Berufsschule, eine halbjährige Visite bei der Armee, haufenweise Hilfsarbeiten, ein Kurs von vierundsechzig Stunden für Wachmänner … Söderholms Gehalt war nicht gerade fürstlich, und seine Lebensgefährtin hatte zu Hause zwei kleine Kinder zu versorgen. Da war es klar, daß der Mann dringend einen Zusatzverdienst brauchte.
»Hast du die Bilder vom Mord auf dem Computer versehentlich oder absichtlich gelöscht?«
»Ich habe schon den anderen Bullen gesagt, daß ich nichts gelöscht habe. Nicht aus Absicht und nicht aus Versehen.« Söderholm strich sich über das Kinn und zupfte an seinem Ohrläppchen. Ratamo erinnerte sich an die Psychologie: Die Gesten waren ein Zeichen dafür, daß jemand log. Söderholm versuchte
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