Finnisches Roulette
drehte sich alles. Plötzlich fiel ihr etwas ein. »Sie wissen ja wahrscheinlich, daß ich meine Aktien nur an Verwandte verkaufen darf. Bei meinen Aktien gibt es so eine Bestimmung oder einen … Paragraphen.«
»Ja. Die Gründer von H & S Pharma wollten so absichern, daß die Firma im Besitz der Familie verbleibt«, erklärte Milewics. »Aber es dürften sich Mittel finden, um auch diese Klausel zu umgehen. Doch die gesetzestechnischen Finessen sollten Sie mir überlassen.« Forster zog dünne Baumwollhandschuhe an, legte eine CD in den Computer ein und klickte die gespeicherten Bilder an.
Auf dem Monitor sah Laura, was im Aufzug des »Forum« geschehen war. Dietmar Berninger griff sich an die Brust … sank zu Boden … öffnete seine Tasche … zeigte Sami das Geld. Lieber Gott, laß Sami den Mann nicht umbringen, betete Laura. Die Tür des Aufzugs öffnete sich, und Sami ging hinaus auf den Kukontori. Ihr Puls beschleunigte sich noch mehr. Würde sie auch den Mord sehen? Den richtigen Mord. Ein maskierter Mann in Shorts und Pikeehemd tauchte auf dem Bildschirm auf, Körperbau und Größe des Mannes verrieten Laura sofort, daß es nicht Sami war. Warum trug er eine George-W.-Bush-Maske? Der Mann holte mit der Faust zum Schlag aus, er hatte schwarze Handschuhe an. Der zweite Schlag traf Berninger am Hals. Als der Mörder nach dem Genick des Diplomaten griff, verzog Laura das Gesicht, sie hatte genug gesehen und hob die Hand vor ihre Augen.
»Wie Sie sehen, beweist die Aufzeichnung lückenlos, daß Ihr Mann Dietmar Berninger nicht getötet hat. Sie bekommen die CD, wenn Sie diese Papiere unterzeichnen. Mehr wollen wir nicht.« Forster schob die Papiere auf dem Tisch zu Laura hin. »Ihr Mann hat Ihnen vermutlich nicht erzählt, daß er illegal zweihunderttausend Euro Schulden bei einer Organisation hat. Das ist verständlich, wer wäre schon stolz auf seine Spiel- und Drogenschulden.«
»Drogen …«, entfuhr es Laura, während Milewics sie mit einer ungeduldigen Geste aufforderte, die Unterlagen zu lesen.
Laura las das erste Dokument langsam und verstand mit ihrem eingerosteten Gymnasialdeutsch, daß es eine Art Kaufvertrag war, der besagte, daß sie für einen Kaufpreis von zweihunderttausend Euro auf ihre fünf Aktien von H & S Pharma Inc. verzichtete … Als Laura den Namen des Käufers sah, schloß sie die Augen. Ja, natürlich – Anna Halberstam. Die Wut brach wie eine Sturzflut über sie herein. Tante Anna war der letzte Mensch, nach dessen Pfeife sie tanzen wollte. Hatte denn dieses Weib ihrer Familie nicht schon genug Leid zugefügt!
»Da Anna das alles unternommen hat, braucht sie diese Aktien anscheinend wirklich dringend«, sagte Laura wie zu sich selbst. Sie erstickte ihren Haß, das hatte sie gelernt.
Forster antwortete nicht. Er beugte sich über den Tisch, klopfte mit seinem Stift auf den Papierstapel und wies in Richtung der beiden Männer im Anzug. »Meine Kollegen fungieren als … Zeugen unseres Geschäfts.«
Jetzt verstand Laura einen Teil des Puzzles. »Anna will also die H&S-Pharma-Aktien, die ich von ihrem Mann Werner geerbt habe?«
»Wir wollen Ihre Aktien kaufen. Ganz legal. Mit diesem Vertrag verkaufen Sie die Aktien und bestätigen den Empfang von zweihunderttausend Euro in Bargeld. Und mit diesem Papier quittiere ich, daß der Kredit Ihres Ehemannes in Höhe von zweihunderttausend Euro abgezahlt ist.« Forster schwenkte ein Blatt Papier in seiner Hand. »Ich bitte Sie, dabei zu bedenken, daß Ihre Verhandlungsposition schlecht ist.« Forster zog die CD aus dem Computer.
Laura dachte fieberhaft nach. Die gespeicherten Bilder würden Sami von jedem Verdacht befreien, aber vermutlich waren die Aktien ein Vielfaches der Schulden Samis wert. Wollte sie ihrem Mann ein Preisschild umhängen? War das Geschäft überhaupt legal? Vielleicht könnte sie später beweisen, daß sie erpreßt worden war. Es gab keine Alternativen,und es widerte sie an, jetzt an Geld zu denken. Apathisch griff Laura schließlich nach dem Stift, der auf dem Tisch lag, und unterschrieb die drei Vertragsexemplare, Milewics blätterte die Seiten um. Zum Schluß unterzeichnete sie die Übertragungsvermerke der Aktien, die sie gerade verkauft hatte.
Es fehlte nicht viel, und Forster hätte vor Erleichterung geseufzt. Jetzt war Anna dem rettenden Medikament einen Schritt näher gekommen. Für einen Augenblick hatte er befürchtet, Laura würde den Vertrag doch nicht unterzeichnen, als sie erfuhr, daß ihre Tante
Weitere Kostenlose Bücher