Finnisches Roulette
»Das letztemal habe ich vor Jahren mit diesem Arschloch gesprochen. Frauen konnte der noch besser übers Ohr hauen als Unternehmen.«
Die SUPO-Mitarbeiter schienen sich mit der Antwort zufriedenzugeben, also stand Laura auf, um zu gehen.
»Vielleicht könnten Sie diesen Jerzy Milewics und die anderen Männer, die Sie in Kraków gesehen haben, noch für ein Phantombild beschreiben. Der Ermittler Sotamaa wird Sie begleiten …«, sagte Ratamo. Er gab Laura die Hand und blieb stehen, um ihr hinterherzuschauen, als sie das Zimmer verließ.
Die beiden SUPO-Mitarbeiter analysierten äußerst gründlich alles, was sie von Laura Rossi gehört hatten, bis Ratamo schließlich konstatierte: »Es könnte sehr wohl sein, daß es sich bei alldem um einen Machtkampf handelt.« Er las aus seinen Notizen vor, daß Werner Halberstam seiner Nichte Sabine Halberstam sowie Eero Ojala und Laura Rossi in seinem Testament jeweils fünf Aktien vererbt hatte. Diese Aktien waren jetzt das Zünglein an der Waage: Niemandkonnte ohne sie die Aktienmehrheit und die Entscheidungsgewalt in dem Unternehmen erlangen.
»Der panamesische Aktionärsvertrag und die Gesellschaftssatzung von H & S Pharma sind so abgefaßt, daß man mit einer Aktienmehrheit von über fünfzig Prozent die Entscheidungen über alle das Unternehmen betreffenden Angelegenheiten allein treffen darf.« Ratamo reichte seiner Kollegin eine Liste der Aktienbesitzer von H & S Pharma:
Laut Ratamo benötigten sowohl Future Ltd. als auch Anna Halberstam die Aktien von zwei Kleinaktionären, um die Entscheidungsgewalt im Unternehmen zu erhalten. Future Ltd. konnte jedoch keine zusätzlichen Aktien erwerben, weil Laura, Eero und Sabine Halberstam ihre Aktien nur an Verwandte verkaufen durften.
Ratamo legte eine kleine Pause ein, um den nächsten Satz zu betonen. »Nur Anna Halberstam kann die Entscheidungsgewalt in H & S Pharma erlangen, indem sie die Aktien sowohl von Laura als auch von Eero kauft. Werners Nichte Sabine wird Anna ihre Aktien kaum verkaufen, man weiß, daß sie die von Anna betriebenen Forschungsprojekte ablehnt«, sagte Ratamo triumphierend.
Saara Lukkari verdaute die Nachricht langsam, beim angestrengten Nachdenken waren ihre Wangenmuskeln gespannt. Schließlich schrak sie zusammen und schaute Ratamo an wie ein Schulmädchen, das im Unterricht eingenickt war.
»Na? Wo warst du gerade?« fragte Ratamo und brachteseine Kollegin zum Lächeln. Dann spielte er ihr den Ball zu: »Was gibt es Neues von Future Ltd.?«
»Nichts. Die liberianischen Behörden sind stumm wie Fische.«
»Und die Ermittlungen in Polen?«
Enttäuscht berichtete Saara Lukkari, daß die Polen den von Tero Söderholm identifizierten Mann nicht erwischt hatten. Die in Kazimierz gefundenen Patronenhülsen amerikanischer Herkunft brachten die Ermittlungen nicht weiter. Und die Verhöre der »Debniki«-Chefs seien auch ergebnislos verlaufen. Die polnische Polizei könne jedoch bestätigen, daß die eintätowierte Fünf von keiner der dortigen Organisationen als Kennzeichen verwendet werde, las Lukkari aus ihren Unterlagen vor.
Ratamo dachte über die Situation nach. Der Mord an Berninger, die versuchten Morde an Laura Rossi und Eero Ojala, die Killer und Beschützer, eine eventuelle Unternehmensübernahme, eine Gentechnologiefirma der Spitzenklasse, Malaria- und HIV-Medikamente … Er mußte zugeben, daß die Ermittlungen ein Ausmaß annahmen, das die Möglichkeiten von zwei Beamten überstieg, selbst wenn sie umfangreiche Hilfe von anderen Mitarbeitern erhielten. Die Verbindung zu Arabern geisterte ihm durch den Kopf, genau wie die von Genefab angefertigten Genkarten der jüdischen und arabischen Völker. Er mußte mit jemand sprechen, der mehr Erfahrungen hatte. Der Gedanke, Wrede zu fragen, war jedoch nicht gerade verlockend, also beschloß er, Ketonen zu konsultieren.
Saara Lukkari war anscheinend immer noch mit Feuereifer bei der Sache, obwohl das Arbeitspensum ständig zunahm. »Auf den Bericht über den Gesundheitszustand von Berninger warten wir übrigens nach wie vor«, merkte sie an.
Ratamo erinnerte sich, daß die Botschaft versprochenhatte, den Bericht am Vormittag zu schicken. Er mußte in seinem Zimmer kramen, vielleicht fand sich das Fax in dem Papiermeer auf seinem Schreibtisch.
Das Zimmer des Chefs der SUPO sah man von der Tür des Beratungsraumes A 310 aus. Ratamo bemerkte, daß Ketonen da war, und marschierte direkt hinein. Musti hatte sich auf dem Boden ausgestreckt, Jussi
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