Finnisches Roulette
Bettkante, ordnete einen Augenblick ihre Gedanken und beugte sich dann über ihren Bruder. »Es stimmt, was der Polizist sagt. Anna versucht H & SPharma zu erobern, und dabei ist ihr jedes Mittel recht. Ich bitte dich trotzdem, ihr deine Aktien zu übergeben. Sami ist gekidnappt worden, aber ich darf das der Polizei nicht sagen. Wenn du Anna deine Aktien nicht gibst, wird Sami umgebracht«, flüsterte Laura und war dem Zusammenbruch nahe, als sie sah, wie ihr Bruder sie voller Vertrauen anschaute. Sie hielt ihr Weinen zurück und versuchte das Bild des kleinen Eero, der vor den Jungen, die ihn hänselten, floh und bei ihr Schutz suchte, aus dem Gedächtnis zu verdrängen.
Ojala starrte seine Schwester fragend an, er schien auf irgendeine Bestätigung zu warten. Machte Laura einen Scherz? In was waren sie da hineingeraten? Der Erpressung durch Anna wollte er sich nicht beugen, aber Laura mußte er helfen, obwohl er ihren Mann nicht einmal richtig kannte. Er hatte Laura immer vertraut. Und vielleicht würde er als Zugabe noch Ellis Gemälde erhalten. Ojala faßte einen Entschluß.
Die Geschwister erörterten noch eine Weile alles, was geschehen war, und dachten über Annas Motive nach. Laura tat es in der Seele weh, daß sie Eero nicht alles verraten konnte.
Das Telefon klingelte. Ojala schossen Alfredo Cavanna und das »Mädchen auf dem Sofa« durch den Kopf. Laura hingegen hatte Angst vor der nächsten unangenehmen Überraschung. Die Geschwister blickten sich an, dann griff Laura nach dem Hörer auf dem Nachttisch.
»Ich vertrete Ihren Ehemann«, sagte Konrad Forster. Laura erkannte die Stimme. »Sie haben bestimmt schon die Zustimmung Ihres Bruders erhalten. Jetzt ist es Zeit für ein Treffen. Ihr Bruder kann seine Aktien um sechzehn Uhr im Garten Giardino Giusti übergeben, und wir übergeben Ihnen Ihren Mann. Leider kann ich nicht selbst vor Ort sein, aber mein Assistent nimmt die Aktien in Empfang. KommenSie auf die höchstgelegene Ebene des Gartens. Und kommen sie zu zweit.«
Siegesgewiß legte Konrad Forster in seinem Frankfurter Arbeitszimmer den Hörer auf. Vielleicht würde er Anna heute doch noch gute Nachrichten übermitteln können.
36
Ratamo ging die Via Cappello entlang und gestand sich verschämt ein, daß er einen Blick auf Julias Balkon werfen wollte. Die Stadtväter hatten den Marktwert der legendären Liebesgeschichte Shakespeares gewittert und einen der Balkone in den zahllosen Innenhöfen Veronas nach der Geliebten Romeos benannt. Das junge Fräulein hatte zwar seine Vorbilder in Verona, aber wie viele Touristen dachten wohl daran, daß Julia dennoch nur eine fiktive Figur war?
Ein heller Kleinwagen hielt neben ihm an, der Mann auf dem Beifahrersitz kurbelte das Fenster herunter und fragte etwas auf italienisch, seine Stimme ratterte wie ein Maschinengewehr. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatten sie sich verfahren und wollten nun wissen, wie man am besten da- oder dorthin kam. Ratamo breitete die Arme aus und sagte auf englisch, er sei Tourist. Hielten ihn die Männer für einen Einheimischen? Sogleich fiel ihm wieder die absurde Neuigkeit ein, die ihm sein Vater an den Kopf geknallt hatte, und er überlegte einen Augenblick, ob in seinen Adern südeuropäisches Blut floß.
Ratamo blieb am Tor zum Innenhof der Familie Capulet stehen und sah ein graubraunes Haus, an dessen Wänden hier und da der Putz abbröckelte. Unter dem Balkon der zweiten Etage wimmelte es von Menschen. Die Gesichter der meisten Touristen, die zu Julias Balkon hinaufgafften, zeigten für einen Augenblick einen romantischen Ausdruck.Nicht so bei Ratamo. Er ging nicht einmal zu dem Denkmal Julias, um ihre rechte Brust zu betasten, die glänzte, denn zahllose Touristen hatten sie im Laufe der Jahre angefaßt, weil es Glück bringen sollte.
In anderthalb Stunden hatte Ratamo die berühmtesten Touristenmagneten Veronas besucht: den Duomo, das Amphitheater Arena, das Schloß Castelvecchio und die Sehenswürdigkeiten in der Nähe der Piazza delle Erbe und der Piazza dei Signori. Doch sein Gehirn war mit der Arbeit, mit den Ereignissen des Vormittags beschäftigt.
Was war mit Laura geschehen? Im Krankenhaus hatte sie sich seltsam verhalten. Plötzlich wollte sie anscheinend doch, daß ihr Bruder seine Aktien Anna Halberstam übergab, obwohl er dadurch erneut in Lebensgefahr geriet. Laura hatte sich nach dem Krankenhausbesuch geweigert, mit Ratamo zu sprechen, und nur behauptet, sie brauche etwas Ruhe. Ratamo
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