Finnisches Roulette
um die Entscheidungsgewalt in H & S Pharma zwischen Konrad Forster und Future Ltd. im Gang ist.« Er stand auf, bewegteseine Hüften und verzog das Gesicht, als die Bandscheibe schmerzte.
Wrede strich nachdenklich über seine roten Haare. »Ich verstehe nicht, was all das diesem ›Freund‹, der es auf die Medikamente abgesehen hat, und Future Ltd. für einen Nutzen bringt? Die Kleinaktionäre haben nur fünfzehn Aktien von zehntausend und können sie ja außer ihren Verwandten niemandem verkaufen.«
Ein schüchternes Klopfen unterbrach die Besprechung, Ketonen brüllte: »Herein!«
»Järvinen von der Zentrale für Informationsmanagement«, sagte ein dünner junger Mann mit einem Werkzeugkasten.
»Na, dann müßtest du ja erst recht verstehen, warum da an der Tür eine rote Lampe leuchtet«, erwiderte Ketonen erbost.
»Ich sollte den Decoder installieren.«
»In einer Stunde«, sagte Ketonen und wies mit dem Finger auf die Tür. Mußte wegen eines einzigen jämmerlichen elektrischen Geräts jemand aus Rovaniemi in Lappland hierher geschickt werden, fluchte er lautlos. Und bei den Büroklammern wird dann gespart. Verdammt noch mal.
»Vielleicht könnte uns diese türkisfarbene Tätowierung weiterhelfen«, murmelte Ketonen vor sich hin, und dann fiel ihm etwas ein. »Hast du Ratamo über diesen neuen Bericht des BND informiert?« fragte er den Schotten.
»Der kann doch wohl von Verona aus nichts tun, wenn es um diese Dinge geht?«
Ketonen knurrte laut, Wrede war immer noch nicht zur Zusammenarbeit mit Ratamo fähig. Der Chef drückte den Lautsprecherknopf und tippte aus dem Gedächtnis die Handynummer von Ratamo ein.
Ein Schmatzen war zu hören. »Ratamo.«
Auf Ketonens Stirn erschienen Falten. »Ist alles in Ordnung?«
Ratamo berichtete von Laura Rossis plötzlicher Meinungsänderung.
»Arto, verdammt. Kläre sofort, was für ein Spiel die Frau treibt. Du sagst, daß du Ermittler der finnischen Sicherheitspolizei bist und daß dies kein Spiel ist. Anna Halberstam fehlen für die Aktienmehrheit in H & S Pharma genau die fünf Aktien, die Eero Ojala gehören. Um die ist ein Kampf im Gange, und der verläuft ganz bestimmt nicht nach den Regeln des olympischen Komitees. Ojala ist in Lebensgefahr.«
Ratamo nahm den Befehl entgegen und schaltete das Telefon ab. Er hatte beinahe vergessen, wie Ketonen Aufträge erledigt haben wollte – sofort. Die Hälfte der Pasta blieb auf dem Teller zurück.
37
Masilo Magadla ging im dichten Menschengedränge durch die spiralförmig ansteigende Einkaufspassage der Zeilgalerie. In Frankfurt nieselte es, und außerdem konnte er im Gehen am besten nachdenken. Eine Schirmmütze bedeckte seinen kahlgeschorenen Kopf und die Nähte. In ihm brodelte es, aber er versuchte die Wut im Zaum zu halten. Jetzt war ihm nicht nach Lächeln zumute.
Die Pläne mußten einmal mehr geändert werden, weil Nelson vor ein paar Minuten angerufen und mitgeteilt hatte, daß Eero Ojala seine Aktien nun doch den Helfern Konrad Forsters, den polnischen Gangstern, übergeben wollte. Magadla ballte die Fäuste. Wieder unterrichtete Nelson ihn viel zu spät über eine erneute Änderung im Ablauf. Warum bekam er die Informationen nur tröpfchenweise? Magadla empfand es als Beleidigung, daß Nelson ihm anscheinend nicht vertraute.
Er blieb vor dem Schaufenster eines Sportgeschäfts stehen, überlegte kurz, ob er sich eine bessere Mütze kaufen sollte, setzte dann aber seinen ziellosen Spaziergang fort. Warum klappte nichts so, wie es sollte? Wenn Ojala seine Aktien der Anwaltskanzlei übergeben hätte, dann würden Anna Halberstam und Oberst Agron gerade die Tränen ihrer Niederlage schlucken. Magadla hatte sogar die Schenkungsurkunde vorbereiten und Laura Rossi zukommen lassen. Jetzt reagierte die Frau nicht einmal mehr auf seine Anrufe.
Die Zeilgalerie sah aus, als hätte man sie gerade aus der Frischhaltefolie ausgepackt. Das Licht der Leuchtstoffröhren wurde von den Metallflächen, den Schaufenstern und Spiegeln reflektiert, und der geflieste Fußboden glänzte da, wo ihn noch keine nassen Schuhe betreten hatten. Die Menschen hasteten dahin, ihre Gesichter waren ausdruckslos, ernst oder vom Streß gezeichnet. Nur die Kinder betrachteten ihre Umgebung neugierig, so wie immer. In Deutschland, in ganz Europa ging es den Menschen zu gut, sie waren nicht mehr fähig, etwas zu genießen. Wurde er allmählich zum Pessimisten, weil er HIV-positiv war? Dieser Gedanke deprimierte ihn erst recht.
Magadla
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