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Finnisches Roulette

Finnisches Roulette

Titel: Finnisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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die Arme ein, um noch schneller zu werden.
    Als die Kurve endete, sah Ratamo nur ein paar Meter vor sich einen Flüchtenden mit Bürstenhaarschnitt. Ein Beschützer. Plötzlich stoppte der Mann, drehte sich um und richtete seine Waffe auf ihn. Ratamo stürzte mit dem Kopf voran auf ihn zu, als ein Schuß krachte. Er fühlte nichts, bis er auf den Mann prallte und zu Boden geworfen wurde. Ratamo schlug dem Bürstenkopf auf den Hals und hob die Faust zu einem zweiten Schlag, als ihn in der Seite ein schneidender Schmerz durchfuhr. Ein zweiter Mann mit kurzen Haaren, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war,hatte ihm in die Nieren getreten, der Schmerz zog durch den ganzen Körper.
    Ratamo fiel auf die Seite und schnappte nach Luft, aber das Zwerchfell gehorchte ihm nicht. Der etwa fünfzigjährige Mann mit dem Bürstenhaarschnitt drückte den Pistolenlauf auf Ratamos Stirn. Sein Gesichtsausdruck wirkte sicher und gelassen. Ratamo atmete nicht, die Zeit blieb stehen. Er konnte gerade noch überlegen, daß mit einer Handfeuerwaffe keine Gummigeschosse abgefeuert wurden, und außerdem erinnerte er sich an den gleichen leeren Blick bei dem russischen Psychopathen, der nicht gezögert hatte zu töten. Dann nahm der Mann mit dem Bürstenhaarschnitt den Finger vom Abzug, schlug Ratamo mit aller Kraft in den Magen und führte seinen Gefährten weg. Irgendwo heulte der Motor eines Autos auf.
    Ratamo war nahe daran, vor Wut zu schreien und sich gleichzeitig zu übergeben.
    39
    Alessandro Mascari trug gestreifte Hosen, Golfschuhe und eine Baskenmütze mit Schottenkaro. Die Spikes seiner Schuhe klopften metallisch auf den Fußboden, als er den Flur im Ospedale Civile Maggiore entlangging. Ratamo, Laura Rossi und ein stämmiger junger Polizist mit einem Notizblock folgten ihm auf den Fersen wie eine Schleppe. Sie eilten zum Bereitschaftsraum, in dem Eero Ojala auf die Operation vorbereitet wurde.
    Laura hatte ihren Bruder im Krankenwagen in die Klinik begleitet, ihr gelbes T-Shirt und ihre nackten Unterarme waren blutbefleckt. Die Ereignisse in dem Garten hatten all ihre Empfindungen betäubt, sie spürte tief in sich den Druck der Gefühle, aber die mußten warten, bis sie wußte,daß Eero überlebt hatte. Samis Schußwunde interessierte sie nicht, die war nur oberflächlich, und außerdem hatte der verlogene Scheißkerl das verdient.
    Ratamo warf einen Blick auf das bleiche Gesicht Lauras, die mechanisch neben ihm herlief. Sie hatte ihm und Mascari alles erzählt, was sie von der Entführung Samis wußte. Das war nicht viel, genügte aber, um ihr Vorgehen zu erklären. Ratamo hatte Verständnis für ihre Entscheidung, obgleich er sie für falsch hielt: Die italienische Polizei wäre sicher in der Lage gewesen, die Ereignisse im Giardino Giusti zu verhindern, wenn sie rechtzeitig von dem Treffen erfahren hätte. Voller Anteilnahme überlegte Ratamo, wie sich Laura jetzt wohl fühlte. Auch er selbst war etwas wacklig auf den Beinen und spürte immer noch den Pistolenlauf an seiner Schläfe.
    Mascari knurrte etwas, und die Polizisten, die den Bereitschaftsraum bewachten, machten den Weg frei. Der Arzt jedoch, der vor der Tür stand und überlastet aussah, rührte sich nicht vom Fleck. Ein doppelter Redeschwall brach los, als er und Mascari aneinandergerieten. Ratamo hatte den Eindruck, daß jeden Moment einer von beiden dem anderen an die Gurgel gehen würde, doch zu seiner Überraschung nickte der Arzt plötzlich und trat zur Seite.
    »Wir haben zwei Minuten Zeit bekommen«, sagte Mascari zu Ratamo und wandte sich Laura zu. »Ihr Bruder wird gleich operiert.«
    Die Falten auf Lauras Stirn wurden tiefer, und sie preßte Ratamos Unterarm noch heftiger. Ihre Entscheidung kostete Eero möglicherweise das Leben. Ihre falsche Entscheidung. »Hat der Arzt gesagt, daß Eero durchkommen wird?«
    Mascari zögerte einen Augenblick, sein Gesichtsausdruck war genauso trostlos wie die Diagnose des Arztes. »Die Wunde ist lebensgefährlich, und Ihr Bruder ist immer nochgeschwächt durch den gestrigen … Unfall. Wir können nur das Beste hoffen …«
    Die drei betraten den Raum, und Laura rannte zu ihrem Bruder, der an einen Infusionsschlauch und EKG-Kabel angeschlossen war. Den schwachen Ton des Pulses hörte man über Lautsprecher als Piepen. »Eero, versuche durchzuhalten. Das ist meine Schuld. Ich habe nicht gewußt …«
    Ratamo packte Laura unsanft an der Schulter und zog sie vom Bett weg, die Zeit war rationiert.
    Ojalas Augenlider zuckten,

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