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Finns Welt - 01 - Finn released

Finns Welt - 01 - Finn released

Titel: Finns Welt - 01 - Finn released Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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die Augenbrauen unkontrolliert auf und ab. Sein rechtes Augenlid zuckt nervös wie bei dem Eichhörnchen in Ice Age, wenn ihm die Eichel entwischt.
    »Was ist denn da oben los?«, sagt mein Vater und schreitet die Treppe aus dem Keller herauf.
    »Du hast einen neuen Kunden«, sage ich und zeige auf Herrn Entenmeyer. »Der Zirkus Ratolli ist interessiert an neuem Werbematerial.«
    »Herrgott noch mal, ich bin gar nicht vom Zirkus!«, brüllt Vampir Entenmeyer jetzt. Alle sind still. Dem Vampir zuckt das Lid.
    Meine Mutter geht zu dem Mann, nickt und nimmt ihm wortlos wieder das Zweieurostück aus der Hand. Dann schließt sie die Tür.
    Mein Vater schüttelt den Kopf und geht wieder die Treppe hinab, in Gedanken versunken, wahrscheinlich schreibt er gerade.
    »Ich weiß, was du jetzt denkst«, sagt meine Mutter. »Der Mann war gar nicht vom Zirkus und ich bin drauf reingefallen. Du hast ihn entlarvt. Alles klar.« Ich lächle, aber meine Mutter schaut sehr ernst. »Aber was hier an der Tür gesagt wird, das bestimmen Papa und ich. Ist das klar, junger Mann?«
    Ich wippe mit dem Kopf und sage: »Ist klar.«
    Bevor sie ihren Wäschekorb wieder aufhebt, strubbelt sie mir kurz durchs Haar. Ich gehe in mein Zimmer zurück, ziehe den Mauszeiger vom Google-Earth-Symbol runter, öffne den Browser und tippe schnelles geld machen in die Suchleiste.

DIE WÄSCHESTANGEN
    »Der frühe Vogel fängt den Wurm«, sagt mein Vater und grinst, als ich am Samstagmorgen um Punkt acht Uhr mit meinem Rucksack zur Haustür gehe. Er hat einen dampfenden Becher Kaffee in der Hand. »Exkursionen sind gut«, sagt er, der mir natürlich glaubt, dass Lukas, Flo und ich einfach so einen ganzen Tag lang durch Wald und Wiese streifen, um nebenher ein paar Notizen und Fotos für den Biounterricht in der Schule zu machen. Er tippt sich mit dem Füller an seine Schläfe. »Wem viel auffällt, fällt viel ein!« Ich hoffe so sehr, dass sein Buch eines Tages fertig wird. Ich wüsste so gern, wovon es handelt.
    Draußen stehen Lukas und Flo. Lukas trägt eine knielange schwarze Hose mit Seitentaschen, ein braunes T-Shirt und teure, gut gefederte Turnschuhe. Flo hat eine kurze Tarnfleck-Militärhose, eine Anglerweste und feste Kampfstiefel angezogen. Er hat sich das alles letztes Jahr beim Militariahändler auf dem Trödelmarkt gekauft. Damals zockte er noch mehr klassische Kriegsspiele. Aus seinem Rucksack ragt der Kopf einer Wasserflasche heraus. Mein Herz schlägt höher, als ich meine Freunde so sehe. Sie nehmen die Quest ernst, sogar Lukas. Es fühlt sich an, als seien wir an diesem Morgen anders als alle anderen Menschen in diesem Land. Als seien wir Auserwählte. Männer mit einer Mission, einer krassen Aufgabe, der sich noch niemals irgendjemand auf der ganzen Welt gestellt hat, nicht einmal die Parkour-Läufer, die in den Städten über die Mauern springen. Wir wandern geradeaus. Zwölf Stunden lang. Immer. Egal, was kommt.
    Mein Vater schließt die Tür. Flo hält eine Eineuromünze in die Luft. »Bei Kopf gehen wir links lang, bei Zahl gehen wir rechts lang.« Lukas und ich nicken. Rechts käme schon nach zweihundert Metern das Haus von Doktor Feldhoff. Flo wirft, fängt die Münze, klatscht sie sich auf die Rückseite seiner linken Hand und sagt: »Kopf!« Ich atme auf. Wir gehen los.
    »Die sind total bekloppt im Internet«, sage ich nach fünfzig Metern. Wir können erst mal eine Weile ganz entspannt der Straße folgen. Trotzdem ist es aufregend zu wissen, dass dieses Gehen auf der Straße für uns kein Gehen auf der Straße mehr ist, sondern ein Gehen in einem Siebenmeterkorridor, der sich für alle anderen Menschen unsichtbar quer durch das Land zieht.
    »Wer sind denn die im Internet?« ,fragt Flo. »Glaubst du, da sitzen irgendwo ein paar Leute in einem Haus und steuern alleine das ganze Internet?«
    »Ist doch so, Flo«, meint Lukas. »Das Irgendwo heißt Kalifornien und das Haus heißt Googleplex.«
    »Ich meine diese Anbieter, die behaupten, dass man bei ihnen schnell Geld verdienen kann«, erkläre ich. » Sensationelles Geschäftsmodell! Bis zu 3.000 Euro am Tag! Und wenn man dann weiterliest, findet man heraus, dass man erst mal ein obskures Starterpaket kaufen muss. Wie bei so einer Sekte.«
    »Warum willst du denn schnell viel Geld verdienen?«, fragt Lukas. »Werfen dich deine Eltern bald aus dem Haus, oder was?« Er lacht.
    Ich erzähle Lukas und Flo natürlich nicht, dass meine Eltern und ich zusammen aus dem Haus fliegen

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