Finns Welt - 01 - Finn released
Die Sonne ist wieder von ihren Wolken befreit, aber das hilft uns jetzt auch nicht weiter. Es fällt mir nur irgendwie auf.
»Warum laufen wir nicht ins Grüne?«, hechelt Flo.
»Wir mischen uns unter Menschen«, sage ich. »Wir müssen nur wieder schnell auf die Hugenottenstraße kommen und dann am besten erst mal irgendwo rein. In eine Pommesbude, einen Supermarkt, egal.«
»Wieso ist Jan-Eric weg?«, jammert Flo.
»Weil er ein Arsch ist!«, sagt Lukas. »Hast du das nicht von Anfang an gemerkt?«
»Schneller!«, rufe ich, die Einmündung auf die Hugenottenstraße immer im Blick, doch es ist zu spät. Das Polizeiauto biegt in die Straße ein, bevor wir unten sind. In der Windschutzscheibe der Beamten sind nur wir drei zu sehen, alleine auf einer Straße, die zum finsteren Hof führt. Wir drei Teenager, auf die die Beschreibung passt, die der Mann der Polizei durchgegeben haben muss und die vielleicht auch schon Herr Trulsen von Aldi und Ilkay vom Rasthof angegeben haben. Mein Herz schlägt von innen gegen meinen Brustkorb, als wolle es mir die Rippen brechen. Da habe ich einmal an diesem Tag die Wahrheit gesagt – und das ist also das Resultat.
Lukas flucht.
Florian weint.
Und ich sehe meinen ganzen schönen Plan den Bach runtergehen und jede Menge Ärger auf uns zukommen. Wenigstens verwenden sie keine Handschellen, als sie uns mitnehmen.
DER POLIZIST
Es ist nicht wie im Fernsehen. Die coolen Typen mit den großen Kaffeebechern. Die dunklen Verhörzellen mit dem grauen Schaumstoff an den Wänden. Polizeistationen sind nicht so. Sie sind unscheinbar. Die Tesafilmrollen auf dem Schreibtisch sind leer. Die Gummipalmen in den Ecken haben Blätter mit gelben Flecken. Und der Beamte, vor dessen Schreibtisch wir sitzen, hat selber Jungs in unserem Alter. Sie stecken in einem Fotorahmen neben seinem PC-Monitor, aber das nützt nichts. Er will uns trotzdem drankriegen. Wir sind zwar noch nicht strafmündig, aber niemand von uns will, dass die Polizei uns zu unseren Eltern bringt. Von Aldi und dem Rasthof sagt der Polizist kein Wort. Weil er’s nicht weiß? Oder will er uns quälen? Der Mann heißt Herr Howanietz, das weiß ich, weil er sich uns vorgestellt hat. Das habe ich mich auch, aber natürlich nicht mit meinem wahren Namen.
»Gustav Marcus, so heißt du?«, fragt er mich daher jetzt zum dritten Mal und ich plappere einfach drauflos, damit wir Zeit schinden können und er erst mal nicht dazu kommt, Lukas und Flo zu befragen. Ich glaube nämlich nicht, dass die beiden standhaft bleiben können.
»Wissen Sie, wie oft ich mich darüber schon geärgert habe?«, sage ich. »Ich meine, wer will heute noch Gustav heißen? Aber meine Eltern, die dachten, das brächte Glück. Wegen Gustav Gans und so.«
»Ja, ja, schon gut«, unterbricht Herr Howanietz mich. »Und die Adresse lautet?«
Wenn ich ihm jetzt eine falsche Adresse sage, prüft er sofort nach, ob es sie gibt. Ich muss also das Thema wechseln. »Haben Sie mal nachgeprüft, was der Mann von dem Hof da mit seinem Hund macht? Das ist Tierquälerei. Das ist mindestens so verboten, wie einmal kurz eine Abkürzung zu nehmen.«
»Eine Abkürzung über ein Privatgelände.«
»Ja, gut …«
»Und dann noch behaupten, ihr würdet einen Film drehen. Keinen Kameramann dabei, aber komische Mikros. Jungs, irgendwas ist bei euch faul. Und wenn du ernsthaft glaubst, ich kaufe dir Gustav Marcus als Namen ab, dann bin ich beleidigt. Und ihr wollt nicht, dass ich persönlich beleidigt bin.«
Verdammt!
Das ist die Polizei hier, da kann ich nicht einfach so lange reden, bis meinem Gegenüber schwindlig wird. Herr Howanietz ist nicht Frau Schieber. Herr Howanietz ist der Ernstfall. Irgendwo stoße auch ich an meine Grenzen.
Ich schwitze. Mein Bauch fühlt sich an, als ziehe jemand mit einem Saugnapf die Luft aus ihm heraus. Lukas kaut scheinbar cool auf einem Kaugummi herum. Flo kann kaum die Tränen zurückhalten. Er ist kurz davor, zu verraten, wer wir wirklich sind und was wir heute alles gemacht haben.
»Warten Sie, es ist alles meine Schuld!«, hören wir plötzlich eine männliche Stimme und drehen uns alle drei um. Jan-Eric steht hinter uns, die Kamera in der einen Hand und einen Presseausweis in der anderen.
»Baumann«, sagt er, legt Herrn Howanietz den Presseausweis auf den Tisch und gibt ihm die Hand. »Jan-Eric Baumann, Streetrats Productions. «
Herr Howanietz schiebt seine Brille auf die Nase und prüft den Presseausweis. »Ich bin freiberuflicher
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