Finns Welt - 01 - Finn released
noch von mir geben, damit die anderen keinen Verdacht schöpfen. »Wenn du lügst, lüge spezifisch!«, sage ich deshalb.
»Was?«, fragt Flo.
»Na ja, Alessandro, Cassino, Toskana, die Mailadresse. Hätte ich einfach nur von einem Italiener gesprochen oder ganz allgemein von einem Schulfreund meines Vaters, wäre es auffälliger gewesen.«
»Aber worum ging’s denn nun wirklich?«, will Flo wissen.
Ich antworte nicht, schaue noch einen Moment auf das weiche, eingeklemmte Moos und sehe dann Jan-Eric in die Augen. Ich schlucke. »Und wenn wir an der Gabelung links abbiegen, wird der Film auf jeden Fall gesendet?«
Flo und Lukas machen einen Schritt von mir weg, als hätte ich auf einmal die Pocken. Jan-Eric nickt. Er hält sein iPhone in die Luft. »Großer Hof, spannendes Hindernis.«
»Aber …«, sagt Flo.
Ich hebe die Hand, um ihn zu unterbrechen. »Wir sind heute Morgen in eine zufällige Richtung losgegangen. Es hätte auch jede andere sein können.«
»Aber …«
»Der Sinn der Quest ist das Überwinden von Hindernissen.«
»Aber du hast doch vorhin noch gesagt, dass wir auf keinen Fall schummeln.«
»Ich will, dass dieser Film gedreht wird!«, brülle ich und Flo zuckt zusammen. Lukas tut so, als sei ihm jetzt auch alles egal. Jan-Eric freut sich und schaut bereits nach vorn, wo die kleine Route halb links sanft von der Hugenottenstraße wegführt.
»Gute Entscheidung«, sagt er, als wäre schon eine gefallen, und stapft los. Ich folge ihm, ohne die Jungs zu fragen. Flo will noch was sagen, aber Lukas legt ihm die Hand auf den Arm und schiebt ihn sanft weiter. So nach dem Motto: Es ist okay. Lass es geschehen. Folge Finn.
Nach einer weiteren Viertelstunde sind wir von unserer Strecke abgebogen.
DER HOF
Fünfhundert Meter vor uns liegt der Hof. Er ist groß und breit, ein Gelände wie ein Land, und er scheint die Wolken anzuziehen. Sie schieben sich in den sonnigen Himmel hinein, seit wir vom Weg abgebogen sind. Es wird abwechselnd hell und dunkel, hell und dunkel. Mein Handy klingelt.
»Ja?«
»Finn, Mama hier. Du, da kommt gleich ein Mann zu uns nach Hause, mit dem ist Papa verabredet. Wir schaffen es nicht, rechtzeitig da zu sein. Wir wollten bloß noch eben einkaufen, aber du kannst dir nicht vorstellen, was hier bei Real am Samstag los ist. Papa hat die Handynummer von dem Herrn nicht und du bist doch in der Nähe, oder? Bei Lukas? Bei Flo?«
Ich höre die Geräusche des Autos. Mama telefoniert, Papa fährt. Ich bedeute Lukas, Flo und Jan-Eric, dass ich mal eben vorlaufe, denn ich will nicht, dass sie mithören. Sie stutzen kurz, nicken dann aber.
»Ihr braucht euch nicht zu beeilen«, sage ich. Ich sage es laut. Einerseits weil sie im röhrenden Auto sitzen, und andererseits weil ich sauer bin.
»Wie?«, fragt meine Mutter.
»Ich habe ihn weggeschickt, diesen Mann.«
»Was hast du???«
»Mama, ich erkläre euch das alles später, ja?«
Ich höre, wie mein Vater am Steuer etwas fragt und meine Mutter das Handy sinken lässt. »Was hat er?«, bellt mein Vater. »Gib mir das Telefon«, sagt er zu meiner Mutter und die antwortet schnippisch: »Das kann ich mit unserem Herrn Sohn auch noch selber regeln.« Dann wieder mein Vater, knapp und laut wie ein Kanonenschuss: »Sabine!« Und kurz darauf, nach lautem Rascheln, brüllt er ins Telefon. »Finn?«
Ich sage nur »Ja?«, viel leiser und zaghafter, als ich es eigentlich wollte. Mein Vater ist sonst nie wütend. Selbst meine abstrusesten Geschichten findet er gut, auch wenn er es nicht offen sagen kann.
»Was fällt dir ein, den Kunden wegzuschicken!«, blafft mein Vater mich an.
»Das war kein Kunde«, antworte ich klagend, »das war einer, der alles aufkaufen will.«
»Triffst du bei uns in der Firma neuerdings die Entscheidungen? Willst du Geschäftsführer sein?« Seine Worte sind so giftig, dass sie fast den Kunststoff meines Handys zersetzen. »Das können wir einrichten, junger Mann, aber dann bist du mit deiner Vier minus in Mathe auch für alle Finanzen verantwortlich. Wie wäre das?«
Boah, das war ein Tiefschlag. Ich sage, noch ehe ich mich bewusst dafür entscheide: »Ich rufe Opa an!«
»Finn!«, ruft mein Vater und aus seiner Stimmlage höre ich heraus, dass er seinem Vater noch nichts davon erzählt hat. Dass er aufgeben und das handwerkliche Erbe der Familie beenden will. Sätze mit Opa ziehen immer. Sätze mit Opa werfen meine Eltern kurzfristig aus der Bahn. Jetzt muss nur mein Plan funktionieren. Wir bringen die
Weitere Kostenlose Bücher