Finns Welt - 02 - Finn reloaded
Erwachsener jeden Tag den Teich auffüllen könnte. Oder herausfinden, warum immer das Wasser abläuft.« Und das Baumhaus weiterbauen, denkt er sich. Das sehe ich ihm an. Er sagt es nur nicht, weil es so sehr nach kleinem Jungen klingt.
»Dann haben wir eine neue Quest«, will ich rufen, werde aber mitten im Satz leiser, damit unsere Mitschüler es nicht hören. Sie würden wieder nur erwarten, dass wir über Häuser klettern und uns dabei filmen lassen. Das, was wir jetzt vorhaben, sieht nicht so gefährlich aus. Es hat weniger Action. Es ist eher wie Die Sims als wie ein Actionspiel. Aber im Grunde ist es sehr viel schwieriger.
DER DEPP
Flos Mutter will einen großen Mann mit Muskeln, also gehen wir ins Fitnessstudio. Das Teil dürfen wir eigentlich gar nicht betreten, weil wir noch nicht sechzehn sind. Jan-Eric hat uns reingeholfen, denn er kennt den Besitzer. Jan-Eric, der Kameramann. Ich habe ihn daran erinnert, wie er uns auf der »Querfeldein« -Quest bei dem finsteren Hof mit dem Kampfhund im Stich gelassen hat. Das zieht immer. Wenn ein Mensch ein schlechtes Gewissen hat, macht er ein Leben lang, was du willst. Ich glaube aber auch, dass Jan-Eric uns mag. Er ist zwar fünfundzwanzig, doch benimmt er sich selbst noch wie ein Junge. Leider musste Jan-Eric dem Besitzer versprechen, dass wir nachher einen Kurs mitmachen. Das ist der offizielle Grund, warum wir hier sind. Wir »schnuppern in einen Kurs rein«, wie man so sagt. Die Geräte mit den Gewichten dürfen wir nicht benutzen. Flo versucht es gerade trotzdem, weil Lukas ihn damit geärgert hat, dass er zu schwach sei. Also sitzt er jetzt in einem Butterflygerät und versucht, die Arme zusammenzudrücken. Sein Kopf ist rot wie ein Weihnachtsapfel. Völlig undenkbar, dass er die Polster jemals zusammengeschoben bekommt. Flo presst die Lider zusammen und seine Augäpfel wachsen unter der Haut zu Tischtennisbällen an. Die Adern an der Stirn sind dick wie Stromkabel.
»Meinst du, er macht weiter, bis er platzt?«, fragt Lukas. Wir sitzen den Muckigeräten gegenüber auf einem Trimmrad und fahren im leichtesten Gang.
»Es gäbe eine große Sauerei«, antworte ich.
»Überall Hirn auf den Gewichten und Polstern«, sagt Lukas und deutet durch den Raum.
Ich schüttele den Kopf. »Er gibt aber auch nicht auf.«
Jan-Eric sieht, dass Flo in der Maschine sitzt, holt ihn raus und legt ihm ein feuchtes Handtuch auf die Stirn. Wüsste ich’s nicht besser, würde ich sagen: Flo zischt wie ein heißer Stein. Jan-Eric setzt ihn auf das dritte Trimmrad. »Macht, wozu ihr hier seid«, sagt er. Wir haben ihm erzählt, dass wir Männer für Sophia suchen. Es amüsiert ihn, aber er nimmt es nicht ganz ernst. Er war mit seiner Kamera auch bei Papas Druckereieröffnung. Sein kleiner Beitrag ist in der Lokalzeit gelaufen.
»Okay«, sagt Lukas und zeigt in die Ecke des Studios, in der die stärksten Männer vor einer Spiegelwand mit Hanteln trainieren und sich dabei beobachten. Sie haben unglaubliche Körper. Manchmal streicheln sie nach zehn Wiederholungen einer Übung mit den Fingerspitzen über ihren Bizeps, als hätten sie sich in ihren eigenen Arm verliebt. »Wir halten fest«, sagt Lukas, »Bauchmuskeln wie Jacob Black haben hier alle.«
»Aber sie sehen nicht aus wie Johnny Depp über 1,82 Meter«, wende ich ein. Das stimmt. Die meisten hier sind so eine Art Kreuzung aus dem grimmigen Wrestlingstar Triple H und dem Comedian Atze Schröder. Also wie Automechaniker, die ein Auto ohne Hebebühne stemmen können und in der Pause statt Äpfeln rohe Zwiebeln essen – ohne zu weinen. Wenn wenigstens einer aussehen würde wie Dwayne »The Rock« Johnson. Der spielt in Kinderfilmen wie Zahnfee auf Bewährung mit und kann sogar lächeln. Die Männer hier lächeln nicht. Kein einziger. Lachen, das tun sie, aber sie lächeln nicht dabei. Lachen ohne Lächeln ist laut und aggressiv, wie das Gebrüll von Affen in Tierreportagen aus Afrika.
»Makaken«, sage ich.
»Och nein«, mosert Lukas. »Das kann doch nicht sein, dass du schon wieder kacken musst. Wir sind erst seit einer halben Stunde hier. Ich meine, gut, die Toiletten sind wirklich schön, mit den Pflanzen und der Entspannungsmusik. Aber alle paar Minuten kacken ist doch echt übertrieben. Stell dir mal vor, Bastian Schweinsteiger müsste so oft kacken. Bleibt kurz vor dem Torschuss stehen, winkt dem Schiri und sagt: ›Tut mir leid, die Wurst ringt schon um Luft, sie will jetzt sofort raus.‹«
Langsam wundert es
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