Finns Welt - 02 - Finn reloaded
Mutter das gut. Wenn er schwitzt, weil er bei 35 Grad im Schatten die Dachrinne repariert, auch. Aber wenn er schwitzt, weil er einen ganzen Topf Chili con Carne gefressen hat, dann ist das schlecht. Er darf ganz generell keine Bohnen essen, denn dann schwitzt er nicht nur, dann furzt er auch noch. Und er darf den Klodeckel nicht offen lassen.«
»Kein Furzen, kein Klodeckel«, notiert Lukas.
Die Holzpfähle neben den Büschen reizen mich. Sie bilden eine Art Zaun von zehn Metern Länge, aber sie sind verschieden hoch. Vor der Pause hatten wir Erdkunde bei Frau Kobol. Während sie vorne plapperte, haben wir damit angefangen aufzuschreiben, wie ein perfekter Mann für Flos Mutter sein müsste. Als Erstes haben wir Schauspieler notiert, um das Aussehen einzugrenzen. Um es kurz zu machen: Im Optimalfall läuft es auf Johnny Depp hinaus, aber Johnny Depp mit mindestens 1,82 Meter Körpergröße. Und mit einem Körper, der so muskulös ist wie der von Taylor Lautner als Werwolf Jacob Black in den Verfilmungen von Twilight. Sophia hat hohe Anforderungen an die Punktzahl bei MASCULINITY.
»Wieso tippst du das nicht alles in dein Handy?«, fragt Flo.
»Jogi Löw hat am Spielfeldrand auch einen Block aus Papier in der Hand.«
»Ja, und?«
»Wie, ja, und? Flo, ich erkläre dir jetzt mal was. Es gibt nur zwei Menschen auf der Welt, die grundsätzlich immer im Recht sind. Der eine ist Indiana Jones und eine erfundene Figur. Und der andere ist Jogi Löw, Herrscher über den Fußball und Erfinder der jüngsten Nationalmannschaft, die es je gegeben hat.«
»Er hat diese Jungs nicht erfunden, er hat sie einfach nur entdeckt.«
»Respekt, bitte! Jogi Löw ist ein Gesandter des Himmels. Als der Fußballgott ihn formen wollte, musste er sich erst mal Gold und Silber bestellen, denn aus Lehm wollte er ihn nicht kneten!«
Ich stehe auf und streiche mit der Hand über das Holz der Pfähle. Dustin schlendert vorbei und kaut Kaugummi wie ein amerikanischer Söldner mit fingerfreien Handschuhen, der gleich sein Gewehr nachlädt. »Da sitzen unsere Filmstars«, sagt er und mustert uns von oben bis unten, als wolle er prüfen, ob wir seit unserem Querfeldein-Abenteuer wieder fetter und fauler geworden sind. »Wann kommt der zweite Teil?«
»Wir verhandeln noch mit dem Sender über die Gage«, antwortet Lukas.
Dustin lacht so dreckig, als rumpelten leere Getränkedosen in seinem Hals. Er bleibt hartnäckig: »Keine neue Quest am Start? Ihr macht schon schlapp?«
Ich spüre, wie es in meinem Bauch brodelt. Das lasse ich mir von Dustin nicht sagen. Ist er etwa über Garagen und Bahnschienen geklettert? Hat er mit rohen Fleischstücken supergefährliche Kampfhunde gezähmt? Was kann er denn? Kaugummi kauen, pseudocool gucken und weite Baggys von Southpole tragen. Ich zeige auf die Holzpfähle, den schmalen 10-Meter-Parcours, auf den immer nur ein Fuß vor den anderen passt. »Die Quest heißt Pfahllaufen« ,sage ich. »Jetzt und hier. Zehn Meter unter zehn Sekunden. Was sagst du?«
Dustin schluckt. Die Pfähle sind oben ausgefranst und ein wenig rutschig. Das Holz ist weich und glitschig. Er spuckt sein Kaugummi aus.
»Gut. Wer tritt gegen mich an? Euer Sportler?«
Er schaut zu Lukas, aber der winkt ab. »Das kannst du vergessen! Ich muss Fußball spielen. Ich kann mir nicht leisten, mit Verletzung auszufallen.«
»Oh, die große Karriere«, spottet Dustin, »der nächste Mario Götze.« Er wendet sich an Flo. »Dann eben der Computerspielfreak. Du läufst doch jeden Tag auf schmalen Hängebrücken über tiefe Schluchten, oder?«
»Die 3-D-Spiele täuschen«, sagt Flo. »Da kann der Steg so schmal sein wie ein Zweig und trotzdem fällt man erst runter, wenn man ganz doll nach links oder rechts wegreißt. Ich weiß nicht, was die sich dabei denken. Der Weg ist so schmal, dass man Seiltänzer sein müsste, aber man kann drüberstapfen wie ein besoffener Tanzbär.«
Dustin fragt die beiden nur, um mich zu ärgern. So, als wäre es ganz undenkbar, dass ich gegen ihn über diese Pfähle laufe. Seit wir mit »Querfeldein« ein paar Minuten lang im Fernsehen waren, ist Dustin komisch geworden. Komischer als sonst. Nicht mehr nur ein bisschen prollig. Jemand hat die Sendung mit uns auf YouTube gestellt und jeder an der Schule hat sie gesehen.
»Dann bleibt also nur der Anführer«, sagt Dustin und verschränkt die Arme. Er spricht »Anführer« so aus, als wäre es eine lächerliche Bezeichnung für mich.
Ich seufze und stelle mich vor
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