Finns Welt - 02 - Finn reloaded
mich nicht, dass sich Lukas’
Vater als Dachdeckermeister auf der Baustelle angeblich auch immer so viel aufregt. Irgendwo muss das ja herkommen.
»Ich meine Makaken«, sage ich. »Die Affen! Die Muskelmänner hier lachen und keckem wie Affen.«
Lukas presst die Lippen zusammen. Ein Muskelmann küsst seinen Arm. Er macht ganz spitze Lippen, schließt die Augen und knutscht tatsächlich seinen Bizeps. Lukas schüttelt den Kopf.
Ich sage: »Was sie wohl damit anfangen? Mit den Muskeln, meine ich?«
»Wie? Anfangen?«
»Es muss doch für was gut sein. Wenn sie Boxer wären, zum Beispiel. Oder Möbelpacker. Dann hätten sie was von dem Stress.«
»Jetzt tust du nur so doof, oder?«
»Nein. Ich mein das ganz ernst.«
»Was ist mit dem da?«, fragt Flo und zeigt auf einen Mann um die 30, der nicht zum Makakenrudel gehört. Allein und konzentriert macht er Sit-ups auf einer Matte. Er hat Haare auf dem Kopf und eine Brille zur Seite gelegt. Als er fertig ist, setzt er sie wieder auf, schaut auf seinen Trainingsplan und sucht die nächste Station. Der sieht schon eher aus wie Johnny Depp. Lukas wippt mit dem Kopf. »Das kommt schon hin.«
»Der ist gut«, sage ich. »Gib mir mal den Block.«
Lukas reicht mir das Papier. Johnny Depp setzt sich in die Butterflymaschine, an der Flo eben gescheitert ist, und stellt sie auf sechs Gewichtsplatten ein. Ich schlendere zu ihm rüber, gucke auf den Block, auf dem in Wahrheit die Checkliste für Flos Mutter steht, und tue so, als sei das mein Trainingsplan. Neben dem Butterfly steht ein Gerät, bei dem man eine Stange hinter den Nacken ziehen muss. Ich setze mich darauf, schiebe den kleinen Stab so in die Gewichte, dass ich nur eines hochzuziehen habe, und fange an. Ich sage nichts. Schaue nur ab und zu rüber. Ich warte, dass Johnny Depp mich anspricht. Nach ein paar Wiederholungen sagt er: »Nicht übel. Wie alt bist du?«
»Fünfzehn«, lüge ich.
»Fängst früh an.«
Ich tue so, als wenn ich mich ziere, und stelle mir intensiv vor, dass ich mit einer langen rosa Unterhose in der Jungenumkleide stehe. Das führt dazu, dass ich im Gesicht ganz rot werde. »Ich trainiere für ein Mädchen«, sage ich verlegen.
Johnny Depp lächelt. Er kann lächeln! Ich wusste, die Mädchengeschichte findet er gut. »Wie heißt sie?«
»Vivien«, sage ich, weil Lukas’ Freundin so heißt, aber auch, weil es sich so anfühlt, als wäre es wahr. Für eine Sekunde weiß ich genau, dass ich für Vivien trainieren würde, wäre sie nicht mit Lukas zusammen. Lukas und Flo sehen neugierig herüber. Ich verdränge den Gedanken und schaue schnell auf die Liste, die neben mir auf dem Boden liegt. »Sie mag es nicht, wenn ich Fleisch esse«, verrate ich ihm.
»Ich esse vegetarisch«, sagt Johnny Depp. »Viel Sojaproteine. Ist leicht zu verdauen und hat trotzdem genug Eiweiß für die Muskelbildung.« Ein Punkt für ihn.
Ich ziehe an der Stange. »Ein Freund wollte neulich, dass ich eine Zigarette probiere. Aber ich hab Nein gesagt.«
»Rauchen ist asozial«, sagt Johnny Depp. Zwei Punkte für ihn. Es sieht gut aus. Aber es steht noch viel mehr auf dem Block.
»Was ich komisch finde, ist ihr Musikgeschmack.« Ich lasse die Stange los und drehe mich zu ihm. »Kannst du dir vorstellen, dass ein Mädchen von vierzehn Jahren lieber Depeche Mode hört als Justin Bieber?«
Johnny Depp löst seine Arme ebenfalls von den Druckpolstern. Er strahlt. »Wow! Die Süße hat Stil.« Drei Punkte! Er steht auf und sieht auf seinen Trainingsplan. Er will weiter.
»Darf ich mal sehen?«, frage ich.
»Klar«, sagt er und gibt mir den Zettel. Ich habe Glück. Oben drauf ist sein Name notiert. David Reuter. »Und du?«
Ich winke ab. »Ich? Das kann keiner entziffern.« Ich gebe ihm seinen Plan zurück. Jetzt muss ich langsam weg, sonst merkt er was.
»Viel Glück mit deiner Süßen«, sagt David.
Als ich zu den Fahrrädern zurückkomme, sehen mich Flo und Lukas erwartungsvoll an. Ich hebe stumm die Daumen.
Jan-Eric kommt herbeigelaufen und klatscht in die Hände. »So, Jungs, flott. Der Kurs geht los, wegen dem ihr offiziell hier seid!«
Wir seufzen und folgen ihm.
In einem gelb-orange beleuchteten Raum liegen Matten auf dem Boden. Die Lehrerin sieht aus wie Kirsten Dunst, das Mädchen, das in Spider-Man die Freundin von, nun ja, Spider-Man, spielt. Auch sonst sind nur junge Frauen hier, so zehnte bis dreizehnte Klasse. Sie tragen enge schwarze Sporthosen und ziemlich knappe T-Shirts, die den
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