Finns Welt - 02 - Finn reloaded
dein Gespür für die Leute?«
Das frage ich mich auch. Ich knete meinen linken Daumen. »Dämliches Fitnessstudio. Nur Proleten. Selbst wenn sie nicht so aussehen.«
»Dann müssen wir eben dahin, wo kluge Männer sind«, sagt Flo. Ich nicke und starre durch die Spinde. Für heute ist die Mission gescheitert. Aber die Quest hat gerade erst angefangen.
DIE GEBILDETEN
»Seht ihr?«, sagt Flo. »Das Wasser ist schon wieder um zehn Zentimeter gesunken, obwohl ich den Teich gestern vollgemacht habe.« Er schnauft und stapft zu der grünen Schlauchbox an der Wand.
»Woran kann das bloß liegen?«, fragt Lukas, hockt sich hin, steckt die Hand in den Teich und tastet die schwarze Folie unter den Steinen ab. Hinter den Terrassenfenstern schwebt Flos Mutter durchs Wohnzimmer. Sie trägt ein rotes Seidennachthemd mit asiatischen Motiven darauf und hält eine Tasse Tee in der Hand. Ihre Beine sind hinter dem Sofa verborgen. Es sieht aus, als gleite sie auf einer Wolke. Hier draußen quietscht und rattert die mechanische Rolle, als Flo den Schlauch zum Teich zieht. Zwischen den Kiefern sehe ich zwei Gesichter. Ich zucke zusammen.
Lukas sieht mich an. »Was ist?«
Die Gesichter sind weg. »Ach nichts. War wohl nur Einbildung.«
Lukas reckt den Hals: »Ich glaube nicht.« Die Gesichter sind wieder da. Sie gehören zwei kichernden Mädchen mit Smartphones. Sie zeigen auf das Wohnzimmerfenster und machen Bilder von Sophia. Flo wuchtet noch am Schlauch herum. Lukas und ich rennen zu den Mädchen. Sie wollen abhauen, aber wir sind schneller.
»Was macht ihr hier?«, blafft Lukas wie ein Wachmann.
»Man fotografiert nicht einfach fremde Leute«, ermahne ich sie.
»Aber sie ist doch berühmt!«, sagt eines der Mädchen. Ich schnappe ihr das Telefon weg. Der Internetbrowser ist offen. Auf dem kleinen Bildschirm sieht man eine Twittermeldung mit dem Foto von Sophia in der Tür der Druckerei. Darunter die Frage: »Ist das Suzanne Myers?«
Lukas schaut mir über die Schulter. »Ich hab ja gesagt, dass er es twittern wird!«
»Ja, aber wer glaubt das denn?«, beschwichtige ich. »Außer kleinen Mädchen.«
»Hey, pass auf, was du laberst!« Sie nimmt mir das Telefon wieder weg.
»Sieh dir Sophia doch an«, sagt Lukas. Ich schaue zum Wohnzimmerfenster. So, wie Sophia da in ihrer Seidenrobe steht, könnte sie in der Tat auch aus dem Fenster eines Schlosses über die irischen Schafweiden schauen. Da habe ich ja ein Gerücht in die Welt gesetzt!
»Das ist nicht Suzanne Myers«, zische ich. »Und jetzt haut ab!«
»Klar doch«, spotten die Mädchen. »Streite es nur ab.« Sie verschwinden hinter den Kiefern.
»Was war?«, fragt Flo. Er hat den Schlauch endlich am Teich und stellt ihn auf Sprühstoß. Augenblicklich erscheinen viele kleine Spritzer auf dem Wasser, als hätten wir Nieselregen. Die Fische tanzen neugierig unter den Sprudelbläschen.
»Nix«, sage ich. »Nur ein paar Kinder, die ihre Katze gesucht haben.« Die Fische öffnen fordernd ihre Mäulchen. Die Goldfische leuchten wie Verkehrswarnwesten. Flo legt den Schlauch auf das Steinufer.
»Dir ist aber schon klar, dass auf der Welt das Wasser zur Neige geht?«, fragt Lukas. »Ich denke, deine Mama ist so öko?«
»Meine Mama will nicht, dass die Fische auf dem Trockenen zappeln.«
»Wenn du jeden Tag zehn Zentimeter Wasser nachfüllst, sinkt auf der anderen Seite des Erdballs das Grundwasser ab. Schlupp. Schlupp. Schlupp. Da wundert sich der Afrikaner, dass sein Brunnen leer ist. Finn, was ist noch mal genau auf der anderen Seite? Wenn man jetzt hier durch die Erde bohren würde? Du weißt doch so was. Du surfst doch jeden Tag vorm Einschlafen in Google Earth rum.«
Ich höre Lukas nur ganz leise, denn ich beobachte Sophia, die durchs Wohnzimmer schwebt. Ihre Tasse hält sie zärtlich in beiden Händen und ihr Blick verliert sich aus dem Fenster hinaus in den Wolken.
»Finn?« Lukas rüttelt mich an der Schulter. »Welchen Brunnen saugt Flo auf der anderen Seite der Erde leer?«
Ich überlege kurz und sage: »Australien.«
»Wie? Australien? Nicht Afrika?«
»Nee. Australien.«
»Aber trocken ist doch alles nur in Afrika. Risse im Boden. Arme Kinder. Hungerbäuche. In Australien ist doch nichts trocken!«
»Doch. Sehr trocken sogar.«
»Hast du jemals einen RTL-Spenden-Marathon gesehen, wo sie für arme Australier sammeln? Die grillen doch den ganzen Tag und spielen Kricket.«
»Ja, dann hat Flo wahrscheinlich noch nicht genug Wasser in den Teich
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