Finns Welt - 02 - Finn reloaded
wie ein Hund die Angst. Solange du versuchst, die Funken zu zwingen, werden sie nicht schlagen. Erst, wenn du dich komplett im Reiben verlierst, lockst du das Feuer an. Es ist, wie wenn man Dinge findet, weil man sie nicht mehr sucht. Das Feuer muss denken: Jetzt ist dem Typen alles egal. Jetzt macht er weiter, und wenn es tausend Tage dauert. Wenn du so weit bist, dreht sich die Sache um und das Feuer verliert seinerseits die Geduld.«
Heiner reibt weiter, minutenlang, und wir hocken davor, die Lippen nahe am Kerbholz, und geraten in Trance. Drei Gesichter, die Augen fasziniert und müde, das Kinn über dem Waldboden.
»Pusten!«, weckt uns Heiner, denn der Funke ist tatsächlich da. Wir hätten ihn fast verpasst. Er kam, als wir schon nicht mehr daran dachten. Unser Pusten entfacht die Glut und nach einer Weile springt das Feuer über und entflammt die Nadeln und Zapfenstücke. Eine Viertelstunde später brennt das ganze Lagerfeuer. Die Flammen schlagen einen halben Meter hoch aus der Kuhle und werfen Schatten auf unsere Gesichter. Wir sitzen auf zwei Baumstämmen, die wir als Bänke herbeigewuchtet haben. Egal, ob Heiner seine Rohre im Bad nicht selbst richten kann. Mit diesem Feuerbohren steht er in MECHANICS wieder bei 10 von 10 und wird nie mehr Minuspunkte kriegen.
»Das ist unglaublich«, flüstert Lukas und ein Stück Holz macht im Feuer einen Knall.
»Die beste Quest, die wir je hatten«, sage ich.
»Man fühlt sich noch besser, als hätte man Level 80 erspielt«, sagt Flo. »Als hätte man es sich verdient. «
»Ich denke, was wir uns verdient haben, ist endlich mal was zu essen, oder?«, fragt Heiner. Er steht auf und greift in seinen Seesack. »Allerdings brauchen wir auch dafür noch ein wenig Geduld.« Er zieht ein Messer aus dem Sack, gegen das sein Schnitzmesser, mit dem Flo die Kerbe erzeugte, ein Spielzeug ist. Ein Jagdmesser mit scharfen Zacken, Furcht einflößend und brutal. Na super. Er will doch jagen, aber nicht mit Pfeil und Bogen, sondern mit bloßen Händen und einem Rambomesser. »Bei Sophia verkneife ich mir das Fleisch«, sagt er und atmet ein, als schnüffele er schon mal nach Rehen, Hasen und Kaninchen, »aber unter uns Männern darf es schon etwas deftiger sein.«
Lukas lächelt, beugt sich zu Flo und flüstert: »Für mich bedeutet das hohe Punktzahlen, aber wenn Sophia das wüsste, fällt er in der S-MASCULINITY wieder runter auf 5 von 10.«
Ich springe auf. »Heiner, und wenn ich der Einzige bin, der sich traut, das zu sagen, weil es nach Weichei klingt, aber bitte: Ich will keinem Hasen die Kehle durchschneiden. Ich will keinem Reh den Hals umdrehen!«
Heiner zieht mit der linken Hand den Seesack auf. »Musst du auch nicht«, sagt er, steckt das Messer zwischen die Zähne, greift in den Sack und holt Grillfleisch vom Metzger heraus. Es raschelt in Plastiktüten und ist sogar vorgewürzt. Er legt es auf den Boden und schneidet die Tüten auf. Dann schnitzt er schnell ein paar Spitzen in Zweige, was mit dem großen Messer in Sekunden geht, spießt Bauchfleisch und Würstchen darauf und reicht sie herum. »Wir könnten auch einen Grillrost bauen oder sie in Alufolie ins Feuer legen, aber Fleisch am Spieß finde ich irgendwie cooler.« Er grinst und stützt die Arme gemütlich auf den Oberschenkeln auf. »Hast du wirklich geglaubt, ich will auch noch Kaninchen jagen?«
»Na ja …«
Heiner sagt: »Du hast recht. Es wäre fairer, mit den eigenen Händen zu töten, als gezüchtete und geschlachtete Tiere aus dem Supermarkt zu holen. Mehr Respekt vor der Natur. Aber irgendwann ist selbst bei mir Feierabend.«
Das Feuer knistert. Ich schaue auf die Uhr. Wieder zehn Stunden ohne Pause durchgearbeitet. Wäre es mit Heiner nicht so unglaublich super, wäre es Kinderarbeit. Ich bewundere ihn. Nicht dass unsere Väter nichts könnten. Meiner druckt Bücher mit uralten Methoden. Er schreibt einen Roman mit der Feder, spricht fünf Sprachen und riecht an altem Papier wie ein Weinkenner an einem Glas. Lukas’ Dad deckt Dächer und hat Angestellte. Aber bei Heiner ist es so, als habe er die ganze Welt in seiner Hand. Er ist wirklich frei.
Glitzernd tanzen Bläschen auf dem Grillgut. Als ich hineinbeiße, röhre ich vor Freude wie ein Elch. »Hmmmmm – ist das gut!«
»Es schmeckt so gut, weil du darauf warten musstest«, sagt Heiner. »Und weil du beim Warten ein Lager gebaut, Holz gesammelt und sogar das Feuer selbst gebohrt hast.« Lukas und Flo schmatzen. Ich rülpse. Es ist
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