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Finster

Titel: Finster Kostenlos Bücher Online Lesen
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über seine halbwegs schlagfertige Reaktion verschaffen.

    »Guter Wein«, sagte ich.
    »Danke.«
    »Wer hat ihn für dich ausgesucht?«
    »Aua, Logan.«
    »Aua, Kirkus. Setz dich doch.«
    »Merci«, sagte er und schlenderte zu einem Sessel. Er blieb davor stehen und drehte sich zu mir. Dann trank er einen Schluck Wein und sagte: »Ich bin wirklich überwältigt von deiner Großzügigkeit, mich zum Essen einzuladen.«
    »Ich habe eher den Eindruck, du hast dich selbst eingeladen.«
    »Ach ja?« Lächelnd setzte er sich hin.
    »So hab ich es in Erinnerung«, sagte ich und setzte mich in sicherem Abstand zu ihm auf das Sofa.
    »In meiner Erinnerung hast du mich um einen Gefallen gebeten und mich freundlicherweise eingeladen, um deine Dankbarkeit zu zeigen.«
    »So in der Art.«
    »Du bist doch dankbar für mein Schweigegelübde, oder?«
    »Das Gelübde interessiert mich nicht besonders, aber das Schweigen schon.«
    Mit einem unangenehmen Grinsen trank er einen Schluck Wein. »Falls du auf meine Kooperation hoffst, geziemte es sich, mich mit einem gewissen Taktgefühl zu behandeln.«
    »Geziemen?«
    »Jetzt fängst du schon wieder an.«
    »Tut mir schrecklich leid.«

    Er hob die Brauen und fragte: »Wäre es dir lieber, wenn ich ginge? Es würde mir nicht schwerfallen, mich aus diesen Räumlichkeiten zu entfernen …«
    »Aus dem Herz mir nimm den Schnabel und entfern’ dich von der Tür«, zitierte ich Poe.
    Er stand auf.
    Ich blieb sitzen und machte eine beschwichtigende Geste. »Setz dich, Kumpel. Setz dich. Bleib hier. Ich habe dir ein Essen versprochen. Eileen rechnet mit dir. Sie hat für dich mit eingekauft. Wir wären beide très enttäuscht, wenn du uns zwingen würdest, ohne die Pracht deiner Anwesenheit zu speisen.«
    Kirkus setzte sich. Er grinste und sagte: »Du bist so ein Idiot.«
    »Sollen wir einen Waffenstillstand schließen?«, fragte ich.
    »Ein Waffenstillstand würde voraussetzen, dass wir uns im Krieg befinden. Befinden wir uns im Krieg, Eduardo?«
    Ich zuckte die Achseln. »Eigentlich nicht. Höchstens im Krieg der geistreichen Bemerkungen.«
    »Für den es dir schmerzlich an Waffen mangelt.«
    Ich suchte nach einer Retourkutsche, aber mir fiel nichts Sinnvolles ein - was seine letzte Behauptung möglicherweise bestätigte.
    Er trank seinen Wein und wirkte zufrieden mit sich.
    »Früher war ich unglaublich intelligent, geistreich und kultiviert, aber dann wurde mir meine Fliege geklaut.«
    »Sehr komisch.«
    »Noël Coward und Somerset Maugham haben mich dafür durch die halbe Stadt gejagt.«

    Kirkus wirkte überhaupt nicht amüsiert. Er stellte sein Glas auf dem Beistelltisch ab, griff mit beiden Händen an seinen Hals, löste seine Fliege und hielt sie mir hin. »Vielleicht willst du dir meine leihen«, sagte er.
    Vier große blaue Buchstaben waren über seine Kehle tätowiert:
    HOMO

46
    »Ist das echt?«, fragte ich. »Ein richtiges Tattoo?«
    »Natürlich ist das echt.«
    Vielleicht war es echt, aber es wirkte amateurhaft. Die Art von Tätowierung, die sich jemand mit einem spitzen Gegenstand und Tinte, zitternden Händen und völligem Mangel an künstlerischem Talent selbst sticht. »Oh Mann«, sagte ich, »was hast du dir dabei gedacht?«
    »Das hab ich wohl kaum selbst gemacht, mein Freund.«
    »Jemand anderes hat dir das eingeritzt?«
    »Allerdings.«
    Ich musste Kirkus verwundert angeglotzt haben.
    »Vielleicht möchtest du hören, wie es passierte«, sagte er. »Du scheinst eine besondere Vorliebe für das Morbide und Extravagante zu haben. Vielleicht würde es dir gefallen, mich in einer deiner Geschichten auftauchen zu lassen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ist schon gut. Wirklich. Warum bindest du nicht einfach wieder deine Fliege um?«

    »Du kannst sie anstelle der dir von Coward und Maugham gestohlenen tragen«, sagte er und warf mir die Fliege zu. In der Mitte zwischen uns flatterte der Seidenstoff auseinander und schwebte zu Boden.
    Ich stand auf, bückte mich und hob die Fliege auf. Während ich sie Kirkus zurückbrachte, sagte ich: »Ich hatte keine Ahnung, dass du die Dinger trägst, um dein Tattoo zu verstecken.«
    »Ist das denn wohl der Grund?«
    »Nicht?«
    »Deshalb und aus modischen Gründen.«
    Ich lachte leise und hielt ihm die Fliege hin. Er pflückte sie aus meinen Fingern.
    Während ich zurück zum Sofa ging, sagte er: »Ich werde dir nicht die ganze traurige Geschichte erzählen. Ich mache es kurz.«
    »Du brauchst mir gar nichts zu erzählen.« Ich

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