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Finster

Titel: Finster Kostenlos Bücher Online Lesen
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bestehen, alter Knabe. Du bist nicht in der Verfassung, irgendwohin zu wandern, und schon gar nicht zu einem Donutshop am Ende der Welt.«
    Ich riss mich los.
    »Edward!«
    Ich schlängelte mich an ihm vorbei und ging nach Norden. Natürlich lief er mir hinterher. Ohne mich umzublicken, hob ich die Hände und sagte: »Fass mich nicht an.«
    »Bitte. Mach jetzt keine Dummheiten.«
    Er griff nach meinem Arm, aber ich stieß seine Hand weg. »Leg dich nicht mit mir an!« Ich ging so schnell ich konnte, obwohl bei jedem Schritt Wellen des Schmerzes durch meinen Nacken in den Kopf fuhren.

    Kirkus blieb ein paar Schritte hinter mir. Auch als wir die Brücke überquert hatten, ging ich nicht langsamer. »Das ist verrückt«, sagte er. »Du kannst nicht einfach fröhlich weitergehen, obwohl du verletzt bist.«
    »Wegen dir«, erinnerte ich ihn.
    »Es war deine Schuld. Du hättest mich springen lassen sollen.«
    »Du bist nicht gesprungen, du bist gefallen. Und diese Kerle da unten haben nur darauf gewartet.«
    Eine Zeit lang sprachen wir nicht. Kirkus blieb einfach still hinter mir, während ich nach Norden ging. Ein paar Straßen weiter sagte er: »Ich sollte dir wohl dankbar sein.«
    »Mach dir darüber keine Gedanken.«
    Er beschleunigte seine Schritte, schloss zu mir auf und legte eine Hand auf meinen Rücken. »Du hast mir das Leben gerettet, Eddie.«
    »Höchstwahrscheinlich.«
    »Und jetzt bist du verletzt, und es ist meine Schuld.«
    »Sieht so aus.«
    »Es tut mir leid.«
    »Hey«, sagte ich, »ist schon gut. Okay?«
    »Ich schulde dir mein Leben.«
    »Du schuldest mir gar nichts.«
    »Doch. Schon. Nicht nur, weil du mich gerettet hast, sondern auch, weil du dich genug um mich gesorgt hast, um mich zu retten. Du hast dich um mich gesorgt. Es hat sich noch nie jemand um mich gesorgt.«
    »So sehr sorge ich mich nun auch wieder nicht.«
    Er lachte leise und tätschelte meinen Rücken. »Genug, um mich vom Rand des Abgrunds zurückzuzerren.«

    »Vergiss es, ja?«
    »Ich werde es niemals vergessen.«
    »Dann tu mir bloß einen einzigen Gefallen«, sagte ich.
    »Alles, was du willst.«
    »Versuch so was nie wieder. Beim nächsten Mal lass ich dich fallen.«
    Wieder klopfte er mir auf den Rücken. »Ach, Eduardo, du bist so ein harter Bursche.«
    »Hände weg, ja?«
    Er hörte auf, mich zu tätscheln, doch seine Hand blieb auf meinem Rücken. »Wie geht’s dem Kopf?«
    »Nicht besonders.«
    »Soll ich ihn küssen, damit es besser wird?«
    »Nein.«
    Er kicherte. »Das habe ich befürchtet.«
    »Das kann ich jetzt wirklich nicht gebrauchen, Kirkus.«
    »Was kannst du nicht gebrauchen, alter Knabe?«
    »Ich bin nicht in der Stimmung, dich andauernd zurückweisen zu wollen.«
    »Dann lass es.«
    Ich wirbelte herum und schlug seine Hand von meinem Rücken. »Hör einfach auf! Fummel nicht an mir rum! Hör auf zu flirten! Ich kann das nicht ausstehen. Lass mich verflucht nochmal einfach in Ruhe.«
    »Ach du meine Güte.«
    »Weißt du was?«
    »Ich nehme an, du wirst es mir verraten.«
    »Es gäbe eine geringe Chance auf Freundschaft, wenn du aufhören würdest, dich die ganze Zeit wie eine Schwuchtel zu benehmen.«

    »Oh je, wir sind ja ganz aufgelöst.«
    »Lass mich einfach in Ruhe. Geh nach Hause.« Ich drehte mich um und ließ ihn stehen.
    Er lief mir hinterher.
    »Verschwinde. Ich hab die Schnauze voll von dir. Hau ab und geh jemand anderem auf die Nerven.«
    »Na schön.«
    »Gut.«
    Er blieb stehen. »Vielleicht wecke ich Eileen und nerve sie.«
    Ich stoppte ebenfalls und sah ihn an. »Lass Eileen aus dem Spiel.«
    »Du willst wohl nicht, dass Eileen was von deinem … seltsamen kleinen Abenteuer mitbekommt. Warum genau hast du dich eigentlich aus deiner Wohnung geschlichen? Erzähl mir nicht, dass du nur auf der Suche nach Donuts bist. Selbst wenn ich so leichtgläubig wäre, dir einen derartigen Schwachsinn abzukaufen, bezweifle ich, dass Eileen das auch tut. Sie wird wohl das Schlimmste annehmen.«
    »Ich hätte dich fallen lassen sollen.«
    »Jetzt sei nicht so mürrisch. Eileen muss nichts davon erfahren.« Grinsend kam er auf mich zu. Er blieb vor mir stehen und klopfte mir auf die Schulter. »Dein Geheimnis ist bei mir gut aufgehoben«, sagte er. »Soll ich immer noch abhauen?«
    »Erpressung scheint ein Hobby von dir zu sein.«
    »Ich würde es lieber Überzeugungskraft nennen.«
    Gemeinsam machten wir uns wieder auf den Weg nach Norden.
    »Ist der Herbst nicht herrlich?«, fragte Kirkus nach
einer Weile.

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