Finster
dort seit Tagen.
Es ist niemand zu Hause.
Um sicherzugehen, drückte ich den Klingelknopf. Aus dem Haus ertönte ein gedämpftes Läuten.
Sonst geschah nichts.
Ich klingelte ein zweites Mal, wartete noch eine Weile
und griff nach dem Knauf der Fliegengittertür. Ich zog, und die Tür öffnete sich. Mit der Schulter hielt ich sie auf und legte die Hand auf die Klinke der Haustür.
Was, wenn Casey von innen öffnet? Wenn sie rauskommt und sagt: »Bauinspektor.«
Die Erinnerung ließ mich lächeln.
Die Tür war abgeschlossen.
Gut, dachte ich. Das war’s. Ich war so scharf auf ein paar Aspirin und ein Bett, dass ich eventuell hineingegangen wäre, aber ich würde mit Sicherheit nicht einbrechen.
Es wäre kein richtiger Einbruch, wenn ich einen Schlüssel hätte, dachte ich.
Aber ich werde keinen finden.
Unter der Fußmatte lag keiner.
Ich fand den Schlüssel stattdessen auf dem schmalen Vorsprung über der Tür.
Warum jemand sein Haus abschließt und den Schlüssel in der Nähe der Tür versteckt, ist mir schleierhaft. Aber manche Leute tun so etwas. Vielleicht haben sie unüberwindbare Angst davor, sich auszuschließen. Wer weiß? Die Menschen machen viel merkwürdiges und dummes Zeug.
Mit zitternden Händen steckte ich den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn. Der Riegel schnappte mit einem lauten Klacken zurück. Ich zuckte zusammen. Dann wartete ich und lauschte. Es kam kein Geräusch aus dem Inneren oder sonst wo aus der Nähe. Ich hörte nur meinen eigenen hektischen Atem und mein hämmerndes Herz. Also schob ich vorsichtig die Tür auf und blickte hinein.
Dunkelheit.
Es ist niemand zu Hause, sagte ich mir noch einmal. Ich kann einfach hineingehen, das Medizinschränkchen suchen und ein paar Aspirin einwerfen.
Es ist kein großes Verbrechen.
Nimm nur die Tabletten. Vergiss das mit dem Hinlegen, nimm die Aspirin und sieh zu, dass du verschwindest, ehe jemand nach Hause kommt. Rein und raus in zwei oder drei Minuten.
Aber ich stand da wie gelähmt und starrte in die Dunkelheit.
Los, sagte ich mir. Sei keine Memme. Das Haus ist leer.
Und wenn jemand kommt?
Es dauert nur zwei Minuten.
Ich kann es nicht. Es ist nicht richtig.
Aber auch nicht schlimm. Casey wäre an meiner Stelle schon lange drin.
Die Anspannung verstärkte das Hämmern in meinem Kopf.
Ich brauche unbedingt Aspirin!
Ich stellte mir Casey vor, wie sie mich anlächelte, den Kopf schüttelte und sagte: »In der Zeit, die du hier auf der Türschwelle mit Kopfzerbrechen verbringst, hättest du drin und wieder draußen sein können.«
55
Ich betrat das Haus, schloss die Tür, stand regungslos und lauschte. Bis auf das Summen von Elektrogeräten und einem leisen Ticken, das wahrscheinlich von einer Uhr kam, war es still.
Die Luft war wärmer als draußen. Viel wärmer.
Offenbar hatten die Besitzer vergessen, das Thermostat runterzudrehen, ehe sie weggegangen waren.
Oder es ist jemand hier.
Der Gedanke ließ meine Kopfschmerzen auflodern.
Es ist niemand hier, sagte ich mir.
Ich zog die Maglite aus der Tasche, schaltete sie aber nicht ein. Auch wenn das Haus leer war, hätte draußen jemand das Licht bemerken können.
Mit der Taschenlampe für den Notfall in der Hand begann ich, langsam durch das Haus zu gehen. Schwaches Licht fiel durch die Fenster, so dass ich die Umrisse der Dinge erkennen konnte, die Türen fand und nicht über irgendwelche Möbelstücke stürzte.
Ich durchquerte das Wohnzimmer. Hier und da leuchteten kleine Punkte in der Dunkelheit, die Lämpchen von Fernseher, Receiver und Videorekorder. Ein helles grünes Display knapp über dem Boden zeigte 21:20.
Was ist, wenn sie eine Alarmanlage haben?
Wieder schoss Schmerz durch meinen Kopf.
Die Hälfte der Leute in der Stadt schließt nicht einmal ihre Haustür ab. Die Chancen, dass jemand eine Alarmanlage hat …
Bring es hinter dich und verschwinde!
Auf der anderen Seite des Wohnzimmers trat ich durch das dunkle Rechteck eines Türrahmens. Nun befand ich mich in fast völliger Düsternis. Ich drehte am Kopf der Taschenlampe, und der helle schmale Lichtstrahl flammte auf. Es war ein Flur mit Türen zu beiden Seiten. Gerahmte Gemälde hingen an den Wänden, eines davon direkt neben meiner Schulter.
Ich warf einen Blick darauf und sah ein grauenhaftes Gesicht. Einen Moment lang zweifelte ich daran, dass es nur ein Bild war. Ich schnappte nach Luft und sprang zur Seite. Dann richtete ich meine Lampe darauf.
Eine wirre rote Perücke, eine riesige
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