Finster
ihre Brüste wackelten, aber ich versuchte, nicht hinzusehen. »Ich bin so weit«, sagte sie und riss die Tür auf.
Ich trat aus dem Haus. Sie folgte mir, schloss die Tür und lief die Verandatreppe hinab. Ich ließ die Gittertür zuknallen und folgte ihr schnellen Schritts. Ihr Auto stand in der Einfahrt.
Wir stiegen ein. Als sie den Schlüssel in die Zündung steckte, fragte sie: »Richtung Campus?«
»Ja. Fairmont Ecke Church Street.«
»Alles klar.« Sie blickte über die Schulter und setzte aus der Einfahrt zurück. Dann schaltete sie und fuhr auf der Franklin nach Süden.
»Ich weiß das wirklich zu schätzen«, sagte ich.
»Kein Problem. Ich hoffe nur, dass es sich als falscher Alarm herausstellt.«
»Ich auch. Aber es würde mich wundern.«
»Wenn sie nicht da ist, unternehmen wir den nächsten Schritt.«
»Und der wäre?«
»Lass uns darüber nachdenken, wenn es so weit ist.«
»Okay.«
Lois sah mich einen Moment lang an. »Weißt du schon, wie du die Situation klären willst?«
»Was meinst du?«
»Du scheinst dich mit zwei Frauen gleichzeitig eingelassen zu haben.«
»Ja. Sieht so aus.«
»So was geht für eine immer schlecht aus.«
Als sie das sagte, erinnerte ich mich an meine eigenen Gefühle, als ich Hollys Brief gelesen hatte: meine Fassungslosigkeit, das Gefühl des Verlusts, der Schmerz bei der Vorstellung, dass sie mit Jay zusammen war. Ich hatte mich gefühlt, als wäre mein Herz zerrissen worden. Ich hatte gedacht, nie wieder glücklich sein zu können.
So etwas kann ich niemandem antun.
Aber der Brief war erst am letzten Freitag angekommen. Die größte Verzweiflung hatte nur ein paar Tage angehalten. Montagnacht war es schon besser geworden - die Nacht, in der Eileen bei Dandi Donuts auf mich gewartet und mich nach Hause gefahren hatte und wir uns auf dem Fußboden im Wohnzimmer geliebt hatten, die Nacht, in der ich zum ersten Mal das geheimnisvolle Mädchen gesehen hatte, ihr gefolgt war, mich über sie gewundert hatte und sie unbedingt hatte kennenlernen wollen.
Eine von beiden hatte mich ins Leben zurückgeholt.
Eine oder beide.
»Jemand wird zwangsläufig verletzt werden«, sagte Lois. »Das ist immer so bei solchen Konstellationen.«
»Ich weiß.«
»Was hast du vor?«
»Ich bin noch nicht sicher.«
»Du willst Casey nicht wehtun.«
»Ich will niemandem wehtun.« Dann wurde mir bewusst, dass sie das Mädchen Casey genannt hatte. »Also heißt sie wirklich so? Casey? Sie hat damit herumgealbert, einen Namen zu erfinden, mit dem ich sie anreden könnte, aber ich hab mir schon gedacht, dass sie wirklich Casey heißt.«
»Es stimmt.«
»Und weiter?«
»Einfach Casey.«
»Willst du mir den Nachnamen nicht verraten?«
Lois warf mir einen kurzen Blick zu. »Ich würde ihn dir gerne sagen, Eddie, aber ich kenne ihn selber nicht.«
59
»Was weißt du über sie?«, fragte ich.
»Ich weiß, was ich wissen muss.«
Ich konnte ein kurzes leises Auflachen nicht unterdrücken.
»Was ist?«, fragte sie.
»Dann hast also du ihr beigebracht, in Rätseln zu sprechen.«
Lois sah mich an. Wir fuhren unter einer Laterne, und ich konnte erkennen, dass sie lächelte. »Vielleicht hab ich es auch von ihr gelernt.«
»Kommt sie jeden Tag zu dir?«
»Schön wär’s. Manchmal kommt sie eine Zeit lang jeden Tag. Dann sehe ich sie wieder ein paar Tage nicht … oder länger.« Sie warf mir einen kurzen Blick zu. »Ich kann es kaum ertragen, wenn sie nicht kommt. Ich befürchte jedes Mal das Schlimmste. Dass ihr was passiert ist. Dass ich sie nie wiedersehen werde.« Bei den letzten Worten brach ihre Stimme. Sie atmete tief durch. Dann fragte sie: »War das offen und ehrlich genug?«
»Ja.«
Sie hielt das Lenkrad mit einer Hand und wischte sich über die Augen.
»Hat Casey einen Ort, an dem sie wohnt?«, fragte ich.
»Es ist nicht so, dass sie keinen hätte.«
»Was meinst du damit?«
»Es ist nur eine Vermutung - sie erzählt mir nicht alles -, aber ich glaub, sie hat Häuser und Wohnungen überall in der Stadt.«
»Keine eigene Wohnung?«
Lois schüttelte den Kopf. »Ich hab sie gefragt, ob sie bei mir wohnen will. Sie schläft manchmal bei mir, kommt zum Essen … aber sie bleibt nie lange. Früher oder später sagt sie immer: ›Ich muss los. Bis bald.‹«
Auf die Plätze, fertig, los!, dachte ich.
»Und dann haut sie ab.«
»Warum?«, fragte ich.
»Sie muss woanders hingehen, andere Leute sehen.« Wieder brach ihre Stimme, als sie fortfuhr: »Ich hasse es.
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