Finster
Kirkus: »Wenn dieser Kerl sich Eileen geschnappt hat, wird er euch wohl kaum ins Haus bitten.«
»Hat er schon«, sagte Casey.
»Eine unverschlossene Tür genügt wohl kaum, um …«
»Es ist nicht nur die Tür. Was meinst du, warum hat er der Puppe Eileens Kleid angezogen?«
»Ja, warum?«
» Das ist die Einladung. Und sie gilt uns. Beziehungsweise Ed.«
»Oh Gott«, stöhnte ich. »Du hast Recht.«
Casey nickte energisch. »Er will, dass wir reinkommen und nach ihr suchen.«
»Ein Grund mehr, es nicht zu tun«, sagte Kirkus.
Ich sah ihn finster an. »Was soll ich machen? Soll ich ihm Eileen überlassen, damit er mit ihr tun kann, was er will?«
»Ruf die Polizei.«
»Nein«, sagte ich.
Kirkus beugte sich dicht zu mir und redete mit leiser Stimme auf mich ein. »Das genau tut man aber in einer solchen Situation. Man stürzt sich nicht einfach planlos in die Gefahr, um jemanden zu retten. Nicht im echten Leben, Eduardo. Du bist nicht Joe Hardy. Und erst recht nicht John Wayne. Du verstößt gegen das Gesetz, wenn du da hineingehst, und du könntest durchaus auch getötet werden. Besonders, da unsere kleine Nancy Drew hier so
sicher ist, dass das Kleid ins Schaufenster gehängt wurde, um dich reinzulocken.«
»Du musst ja nicht mitkommen«, sagte ich.
»Darum geht es nicht, mein Freund. Der springende Punkt ist, dass du nicht reingehen solltest. Niemand sollte das Haus betreten. Lass uns stattdessen eine Telefonzelle suchen und die Polizei anrufen.«
»Ich geh rein«, sagte Casey. »Kommst du mit, Ed?«
»Ja.«
Ich folgte ihr ins Haus. Ehe ich die Tür schloss, fragte ich Kirkus: »Kommst du?«
»Wohl kaum.«
»Kommen Sie, Watson, das Spiel beginnt!«
»Scheiß auf dich und deine Arroganz, Sherlock.«
Beinahe musste ich grinsen. »Also, du könntest vielleicht die Polizei rufen, wenn wir in fünfzehn Minuten nicht wieder draußen sind.«
»Damit sie euch wegen Einbruchs verhaften?«
»Was soll’s.«
»Ed, sei kein Schwachkopf.«
»Bis später«, sagte ich.
Ich ließ ihn draußen stehen und zog die Tür zu.
67
Wir gingen tiefer in den Secondhandladen hinein und entfernten uns vom Lichtschein, der durch das Schaufenster drang. In der Dunkelheit vor mir blieb Casey stehen
und drehte sich zu mir um. Sie legte eine Hand auf meinen Arm und flüsterte: »Schuhe.«
Wir zogen unsere Schuhe aus. Dann legte sie die Hände auf meine Schultern und beugte sich dicht zu mir. »Du wartest hier«, flüsterte sie. »Ich geh nach oben und …«
»Nicht ohne mich …«
Sie drückte meine Schultern. »Ich mach solche Sachen ständig.«
»Aber wenn Randy uns erwartet …«
»Er wird nicht merken, dass ich da bin.«
Das klang für mich nach Selbstüberschätzung oder reinem Wunschdenken. »Ich sollte lieber mitkommen«, sagte ich.
»Nein, es ist besser, wenn du hier unten bleibst. Ich geh nur hoch, sehe mich um und finde raus, was los ist. Dann komm ich zurück, und wir überlegen uns, was wir unternehmen.«
»Mein Gott, ich wünschte, ich hätte die Pistolen nicht verloren.«
»Ich brauche keine Pistole. Mir passiert nichts. Aber du wartest hier. Versprochen?«
Ich zögerte.
»Versprich es«, sagte sie.
»Okay, ich verspreche es.«
Sie lehnte sich an mich und küsste mich sanft auf den Mund. »Bis gleich«, sagte sie leise und löste sich von mir. Ich stand reglos da und beobachtete, wie sie wie ein schwarzer Schatten davonglitt. Sie verursachte nicht das leiseste Geräusch. Nach wenigen Augenblicken war sie verschwunden.
Mit einem flauen Gefühl im Magen drehte ich mich um. Die Lampen aus dem Schaufenster warfen einen gelben Schimmer auf das Durcheinander von Möbeln und Kleiderständern zwischen mir und dem Eingang des Ladens. Ich sah Schaukelstühle, Stapel von Büchern und Zeitschriften auf den Regalen und Tischen, Puppen, alte Petroleumlampen, Statuen, Vasen und allen möglichen Schnickschnack. Hinter der Ladentheke hingen Samtbilder von Jesus und John F. Kennedy und Jerry Garcia neben einem ausgestopften Fabeltier, einem Hirschkopf und einer Schleiereule mit einer Schlange im Schnabel. Außerdem befand sich an der Wand eine Sammlung von Schwertern und Speeren.
Während ich zur Theke ging, sah ich aus dem Fenster. Die Schaufensterpuppen und anderer Krempel schränkten mein Blickfeld nur wenig ein.
Kirkus schien weggegangen zu sein, doch sein Wagen stand noch am Straßenrand. Vielleicht hatte er beschlossen, im Donutshop auf uns zu warten.
Oder war er losgegangen, um die Polizei zu
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