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Finster

Titel: Finster Kostenlos Bücher Online Lesen
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rufen?
    Nein, dachte ich. Was immer auch mit Kirkus los ist, er würde nichts tun, was mich ins Gefängnis bringen könnte.
    Ich ging leise um die Theke herum und nahm mit beiden Händen ein Katana von seinen Haken hoch oben an der Wand. Behutsam zog ich das Samuraischwert aus seiner Scheide. Ich legte die Scheide auf die Theke und ging mit meiner neuen Waffe zurück in den hinteren Teil des Ladens.
    Ich blieb in der Dunkelheit stehen und lauschte nach Casey.

    Warum braucht sie so lange?
    Reglos und mit angehaltenem Atem wartete ich.
    Von überall um mich herum erklangen Geräusche. Leise Geräusche. Das Ticken von Uhren. Das Summen von elektrischen Geräten. Und kaum wahrnehmbare Laute, die ich nicht zuordnen konnte - vielleicht von alten Dingen, die allmählich verrotteten und auseinanderfielen: Nähte von Mänteln, die aufplatzten; Bücher, die aus dem Leim gingen; der Hirschkopf, der langsam verfaulte; das Knacken des Ladens selbst, dessen alternde Holzvertäfelung sich löste.
    Zum ersten Mal bemerkte ich den Geruch. Es roch nach alten Kleidern und noch älteren Büchern. Nach kaltem Zigarettenrauch. Dem Pinienaroma des Bohnerwachses. Und nach Staub.
    Ich schnappte auch einen Hauch süßlichen Dufts auf. Und unter all diesen Gerüchen schien der saure Gestank von Schweiß und Urin zu liegen.
    Ich sollte nach oben schleichen und Casey suchen, dachte ich.
    Nein. Ich kann mein Versprechen nicht brechen.
    Und wenn Randy sie geschnappt hat?
    Ich konnte wenigstens an der Treppe nachsehen. Das würde nicht gegen die Abmachung verstoßen, oder?
    Das Katana hielt ich mit beiden Händen senkrecht vor meiner Schulter - so ähnlich wie ein Schlagmann beim Baseball, der sich mit seinem Schläger ein wenig entspannt, ehe der nächste Wurf kommt - und ging langsam weiter nach hinten.
    Ich bewegte mich durch nahezu völlige Dunkelheit, als
mich jemand an der Brust berührte. Es überraschte mich, jagte mir aber keinen Schrecken ein. Ich wusste, wer es sein musste. »Eddie«, flüsterte sie.
    »Ja.«
    »Ich hab sie gefunden. Sie ist oben.«
    »Geht es ihr gut?«
    »Komm am besten mit und sieh selbst.«
    »Sie ist doch nicht tot, oder?«
    »Nein.«
    »Was ist mit Randy?«
    »Ich hab mich umgeschaut, so gut es ging, ohne selbst gesehen zu werden. Da oben konnte ich ihn nirgendwo entdecken. Vielleicht ist er weggegangen. Ich weiß es nicht.« Sie tätschelte meine Brust. »Komm und nimm das Schwert mit.«
    »Du kannst es sehen?«
    »Du wirst von hinten beleuchtet.«
    »Oh.«
    »Kannst du es mit einer Hand halten?«
    »Klar.«
    »Dann gib mir deine andere.«
    Ich umklammerte das Schwert mit der rechten Hand und streckte die linke in die Dunkelheit aus. Casey nahm sie und drückte sie kurz. »Bereit?«
    »Ja.«
    Sie führte mich. Wir gingen langsam auf einem so verschlungenen Pfad durch die Dunkelheit, dass ich schon bald die Orientierung verlor.
    Das ist ja wie in einem Irrgarten hier, dachte ich.
    Kein Wunder, dass Casey so lange gebraucht hatte.

    Ich hielt ihre Hand fest, doch ich konnte sie nicht vor mir sehen.
    Warum stoßen wir nicht gegen irgendwelche Sachen?
    Sie muss hervorragend im Dunkeln sehen können, dachte ich. Das liegt wahrscheinlich daran, dass sie die Nächte damit verbringt, in den dunklen Häusern anderer Leute herumzuschleichen.
    Hin und wieder knarrte eine Bodendiele. Ansonsten bewegten wir uns völlig lautlos voran.
    »Stufen«, flüsterte sie.
    Wir begannen, eine steile enge Treppe hinaufzusteigen. Auf der rechten Seite befand sich ein Geländer. Ich konnte mich nicht daran festhalten, aber ein paarmal stieß ich mit der Hüfte dagegen. Manchmal streifte ich auch mit der linken Schulter die andere Seite des Treppenhauses. Um uns herum herrschte völlige Dunkelheit und absolute Stille. Die Luft schien schwer und warm und schwarz zu sein.
    Auf einem Absatz bogen wir um die Ecke, und Licht tauchte vor uns auf. Ein trüb schimmerndes rötliches Rechteck - ein Türrahmen?
    Casey verdeckte einen großen Teil der hellen Fläche, während sie darauf zuging. Kurz vor dem Ende der Treppe ließ sie meine Hand los. Auf den letzten Stufen ging sie immer tiefer in die Hocke. Dann kroch sie durch den Türrahmen nach links, bis nur noch ihre nackten Füße zu sehen waren.
    Ich folgte ihr geräuschlos. Am Boden kauernd blickte ich durch den Türrahmen. Die Treppe führte offensichtlich in die Ecknische eines Raums. Ich konnte nicht viel
mehr sehen als drei schwach beleuchtete Wände und Casey, die auf allen vieren um die

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