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Finster

Titel: Finster Kostenlos Bücher Online Lesen
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Mensch man in so einer Gegend begegnet.
    Zum Glück schien gerade niemand unterwegs zu sein.
    An den Bahngleisen ging die Maple Avenue in eine dunkle Unterführung über, deshalb drehte ich um und ging schneller als auf dem Hinweg zurück zur Franklin Street.
    Um 0:40 Uhr erreichte ich die Kreuzung Franklin Ecke Maple.
    Hatte ich sie verpasst?
    Vielleicht kommt sie nur ein bisschen später, dachte ich.
    Oder ich hatte letzte Nacht einfach nur Glück, und es war das erste und letzte Mal, dass sie diese Strecke zu dieser Zeit entlangging.
    Andererseits lief sie vielleicht regelmäßig dort entlang, aber nur einmal die Woche.

    Ich blickte in die eine Richtung. Ich blickte in die andere Richtung. Ich blickte in alle Richtungen.
    Wo bist du? Wo bist du?
    Irgendwo musst du ja sein, sagte ich mir, und ich werde dich finden.
    Wenn Kapitän Ahab den weißen Wal gefunden hatte, dessen entlegene Grenzen die der sieben Meere waren, sollte ich doch wohl in der Lage sein, ein Mädchen in der kleinen Stadt Willmington aufzuspüren.

11
    Ich näherte mich ihrem Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite und warf einen beiläufigen Blick darauf, während ich vorbeischlenderte.
    Die Veranda und alle Fenster waren dunkel, genau wie in der Nacht zuvor.
    War das Mädchen noch auf dem Heimweg?
    Oder war sie schon von ihrem nächtlichen Ausflug zurückgekehrt?
    Vielleicht war sie auch zu Hause geblieben und früh zu Bett gegangen.
    Lag sie in ihrem Bett in einem dunklen Zimmer im ersten Stock und schlief fest?
    Ich traute mich nicht, stehen zu bleiben und vor ihrem Haus Wache zu halten, daher ging ich weiter bis zur nächsten Kreuzung. Dort überquerte ich die Franklin Street, folgte der Seitenstraße bis zur nächsten Ecke und ging
dann südlich an der Rückseite des Häuserblocks vorbei. Wieder bog ich nach rechts ab und kehrte zur Franklin Street zurück. Dieses Mal lief ich auf ihrer Seite die Straße hinunter.
    Als ich mich dem Haus näherte, ging auf der Rückseite im Erdgeschoss ein Licht an.
    Mein Herz setzte kurz aus, dann schlug es schnell und unangenehm heftig, während ich die Einfahrt des Nachbarhauses hinauflief, mich umblickte, ob ich beobachtet wurde, und dann durch eine Lücke in der Hecke schlüpfte.
    Das Leuchten des Fensters zog mich an wie die Hoffnung auf einen Schatz.
    Noch nie in meinem Leben hatte ich mich an ein Fenster geschlichen, um jemanden auszuspionieren. Das heißt nicht, dass ich noch nie in Versuchung geraten wäre. Doch bisher hatte ich der Versuchung immer widerstanden; mein Bedürfnis, einen verstohlenen Blick zu riskieren, war schwächer gewesen als die Angst, dabei erwischt zu werden.
    Heute Nacht war es anders. Nicht nur war meine Welt aus den Angeln geraten, weil Holly mich verlassen hatte, ich war auch dermaßen fasziniert von dem geheimnisvollen Mädchen, dass ich einfach durch das Fenster schauen musste .
    Während ich näher heranging, war ich ganz schwach vor Angst. Ich zitterte am ganzen Körper. Unter meinem Sweatshirt lief mir der Schweiß hinunter. Die Unterhose klebte am Hintern. Meine Genitalien fühlten sich an, als würden sie schrumpfen, bis nichts mehr von ihnen übrig war.
    Ein Teil der Angst bestand darin, ertappt zu werden.

    Doch ich fürchtete mich auch vor mir selbst, davor, dass ich zu so etwas fähig war. Hinzu kam die schreckliche nervenaufreibende Spannung, was ich dort hinter dem Fenster sehen würde.
    Jemand hatte das Licht angeschaltet, und es leuchtete noch immer.
    Jemand war in dem Zimmer.
    Das Mädchen?
    Atemlos und zitternd blickte ich mich um, um sicherzugehen, dass mich niemand beobachtete. Dann ging ich näher an das Fenster. Da das Haus auf Stelzen gebaut war und sich darunter ein Hohlraum befand, lag der Fenstersims knapp über meiner Augenhöhe.
    Ich stand an der linken Seite des Fensters, klammerte mich mit den Fingern am Fenstersims fest und zog mich auf die Zehenspitzen.
    Und wenn sie genau in meine Richtung sieht?
    Sie tat es nicht.
    Ich spähte durch eine Ecke der Fensterscheibe und sah eine Frau in der hellen Küche an der Arbeitsfläche lehnen. In ihrer linken Hand hielt sie eine Flasche Tequila. Sie hob die Flasche, trank einen Schluck, ließ sie wieder an ihre Seite sinken und blickte einfach geradeaus.
    Sie sah nicht einmal in die Nähe des Fensters.
    Sie wirkte nicht nervös oder aufgeregt. Nicht so, als hätte sie sich in die Küche geschlichen, um sich heimlich aus der Flasche zu bedienen. Eher, als hätte sie einfach Lust auf ein paar

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