Finster
fragte ich.
» Besorg’s mir «, antwortete Hollys abgetrennter Kopf.
» Nach Strich und Faden! «
Mein Wecker klingelte.
Gott sei Dank.
Ich schaltete den Alarm aus und ließ mich auf den Rücken fallen, verängstigt, erschöpft und ein wenig angeekelt.
Soll ich das Acht-Uhr-Seminar ausfallen lassen?
Und dann? Sollte ich mich wieder hinlegen und noch ein oder zwei Alpträume haben? Nein danke.
Außerdem leitete das Seminar über romantische Literatur ein wirklich netter und etwas verrückter alter Professor, der meine Abwesenheit als persönlichen Affront werten würde. Ich musste hingehen.
Also quälte ich mich ächzend aus dem Bett und stolperte in die Küche. Dort zog ich den Plastikdeckel von der Kaffeedose, hielt mir die Büchse unter die Nase und atmete tief ein. Der warme, beruhigende Duft der stark gerösteten Bohnen füllte mich aus. Meine Augen schlossen sich. Ich seufzte.
Ich kann den ganzen Nachmittag schlafen, sagte ich mir. Ich muss nur bis nach dem Seminar um eins durchhalten, dann kann ich wieder nach Hause gehen und mich bis zum Abendessen aufs Ohr hauen.
Es dauerte ein paar Minuten, den Kaffee aufzusetzen. Als die Flüssigkeit begann, in die Kanne zu tröpfeln, ging ich ins Bad, um zu duschen.
Während ich unter dem heißen Strahl stand, dachte ich über die letzte Nacht nach. Nicht über die Träume, sondern die wirklichen Ereignisse. Aber die wirklichen Geschehnisse fühlten sich fast genauso irreal und traumähnlich an. Immerhin wusste ich noch, was wirklich passiert war und was nicht.
Nach einer Weile kam ich zu dem Schluss, dass ich Glück gehabt hatte. Ich hatte einen Teil meines Plans verwirklicht, indem ich das geheimnisvolle Mädchen gefunden hatte, auch wenn sie dann verschwunden war. Ich war zu einem langen schönen Blick auf die Frau in der Küche
eingeladen worden, und man hatte mich nicht dabei erwischt. Der alte Kerl auf der Veranda hatte mich erschreckt, mir aber eigentlich nichts getan.
Und das Wichtigste war, dass ich Randy entkommen konnte.
Er hatte mich geküsst !
Die Erinnerung ekelte mich … und ich hatte Angst, darüber nachzudenken, was geschehen wäre, hätte ich nicht fliehen können.
Aber ich war auch stolz darauf, wie ich mit ihm fertiggeworden war. Ich war zwar hin und wieder in kleinere Raufereien verwickelt gewesen, aber ich hatte mich noch nie ernsthaft verteidigen müssen. Und ganz sicher hatte ich noch nie zuvor jemanden mit einem Stift gestochen.
Im Geiste hörte ich das Popp , mit dem der Kugelschreiber durch die Jeans gedrungen war. Ich spürte, wie der Stift in sein Bein drang, wie er von dem Fleisch seines Oberschenkels aufrecht gehalten wurde und in meiner Hand zuckte.
Den Dreckskerl habe ich wirklich drangekriegt.
Der Stift ist wirklich eine mächtigere Waffe als das Schwert, dachte ich und lächelte.
Wenn ich nur ein Schwert gehabt hätte.
Aber der Stift hatte genügt, und es schien darüber hinaus eine besonders passende Waffe zu sein, da ich mich schließlich als Schriftsteller betrachtete.
Irgendwann werde ich über all das schreiben müssen, dachte ich, während ich aus der Dusche stieg. Vielleicht eine Geschichte über die Frau in der Küche. Warum hatte
sie wirklich dort gestanden und allein zu dieser Uhrzeit Tequila getrunken?
Hatte sie tatsächlich auf das geheimnisvolle Mädchen gewartet?
Oder lieber eine Geschichte über den alten Mann auf der Veranda. Was hatte er dort getan?
Man könnte sie »Der alte Mann auf der Schaukel« nennen. Bei dem Gedanken musste ich lächeln. Ich nahm mein Handtuch von der Stange und trocknete mich ab. »Er war ein alter Mann, der alleine auf einer Schaukel auf seiner Veranda saß und achtundvierzig Tage durchgehalten hatte, ohne jemanden zu Tode zu erschrecken.«
Oder ich könnte über Randy schreiben, wie er sich mir gegenüber im Dandi Donuts hingesetzt hatte … und wie er mich geküsst und mir seine Zunge in den Mund geschoben hatte.
Darüber werde ich nicht schreiben, beschloss ich. Über alles andere, was in dieser Nacht geschehen war, nur nicht darüber.
Wie wäre es mit einer Geschichte über einen Obdachlosen, der im Durchgang zwischen zwei Gebäuden schläft?
Nein, über ihn wollte ich ebenfalls nicht schreiben.
Was war mit dem geheimnisvollen Mädchen?
Oh ja.
Irgendwann.
Vielleicht.
Ich ging in die Küche, um eine Tasse Kaffee zu trinken und fragte mich, ob ich sie jemals wiedersehen würde.
Nur, wenn sie mir einfach so über den Weg läuft. Ich werde nicht mehr wie
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