Finster
eine kleine Plage. Randy war eine echte Bedrohung, und er könnte irgendwo dort draußen sein.
Durch die Gegend fahren und nach mir oder Eileen suchen.
Oder irgendwo parken und Ausschau halten.
Oder zu Fuß unterwegs sein.
Auf dem Weg zum Campus hielt ich die ganze Zeit die Augen nach ihm offen.
Ich trug zwar mein Schweizer Armeemesser in der Hosentasche, aber das beruhigte mich nicht besonders. Genauso wenig wie meine Kugelschreiber. Meine Attacke auf Randy war letzte Nacht nur erfolgreich gewesen, weil ich ihn überrumpelt hatte. Beim nächsten Mal würde ich damit nicht durchkommen.
Es sollte besser kein nächstes Mal geben.
Vielleicht versucht er nicht einmal, uns zu finden, sagte ich mir.
Er wird niemals einfach aufgeben.
Aber möglicherweise geht er nicht so weit südlich nach
uns auf die Jagd. Vielleicht bleibt er in seinem Viertel, und wir sind sicher, solange wir nicht dort auftauchen.
Vielleicht. Aber ich bezweifelte es.
Jedes Mal, wenn ein Pick-up vorbeikam, bekam ich einen Schreck. Ich war bereit loszurennen, doch die Autos fuhren weiter. Gelegentlich kamen mir Männer entgegen, deren Gestalt Randys ähnelte. Einer von ihnen humpelte sogar. Doch bei keinem handelte es sich wirklich um Randy.
Soll das jetzt ständig so weitergehen?, fragte ich mich. Ich kann doch nicht immer und überall nach Randy Ausschau halten und nie wissen, wann er auftaucht und mich schnappt … um mich fertigzumachen.
Oder er würde sich Eileen holen. Sie in sein Auto zerren und an einen einsamen Ort bringen.
Wo keine Vögel singen.
Was, wenn er sie schon hat?
Mein Magen verkrampfte sich.
Ich hätte sie warnen sollen! Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Warum hatte ich sie nicht sofort angerufen, als ich am Morgen zurück in meine Wohnung kam?
Es war mir nicht einmal in den Sinn gekommen.
Ihr geht es bestimmt gut, redete ich mir ein.
Wenn nicht, dann ist es ganz allein meine Schuld.
Als ich den Campus erreichte, war ich verzweifelt.
Zuerst ging ich zum Studentenhaus. Auch bekannt unter dem Namen Tigerhöhle. Die Sportteams der Willmington University (und auch die Studenten allgemein) trugen früher den Namen »The Braves«. Dann kam die Ära der Political Correctness. »Braves« wurde als eine abwertende
Bezeichnung für die amerikanischen Ureinwohner betrachtet, deshalb musste ein neuer Name gefunden werden. Wir entschieden uns für »Tiger«. Das Studentenhaus hieß nun nicht länger »Braves Cave«, sondern Tigerhöhle.
Es war gut gefüllt. An fast jedem Tisch saßen Studenten, einige allein, doch die meisten zusammen mit ihren Freunden. Sie redeten, lachten, aßen eine Kleinigkeit, tranken Kaffee oder Cola, und einige versuchten sogar zu lernen - Bücher lagen vor ihnen auf den Tischen. Die Essensausgabe war abends geschlossen, deshalb standen ein paar Studenten an den Automaten, um sich Snacks zu ziehen.
Ich kannte viele der Leute und lächelte und nickte denen zu, die mich bemerkten, mit einigen wechselte ich ein paar Worte.
»Hi, Ed, was geht ab?«
»Nicht viel. Und bei dir?«
»Kann nicht klagen. Komm, setz dich zu uns.«
»Geht leider nicht, danke. Ich hab’s eilig.«
So in der Art.
Ein paar Frauen aus Eileens Studentinnenverbindung waren in der Tigerhöhle. Einige von ihnen wussten wahrscheinlich, wo Eileen war. Trotzdem hielt ich mich von ihnen fern. Erstens wollte ich vermeiden, dass das Thema Holly aufkam. Zweitens brauchten sie nicht zu wissen, dass ich aus welchem Grund auch immer an Eileen interessiert war.
Ich verließ den Essensbereich der Tigerhöhle und schlenderte zum Aufenthaltsbereich. Dort saßen Studenten in Sesseln und auf Sofas. Viele waren allein und lasen.
Einige Pärchen hatten die Sofas belegt, redeten leise miteinander, und manche hielten Händchen.
Holly und ich hatten letztes Jahr oft zusammen auf diesen Sofas gesessen und versucht zu lernen, aber meistens hatten wir nicht lange durchgehalten. Schon bald hatten wir uns an den Händen gefasst und uns unterhalten, uns tief in die Augen gesehen, über Kleinigkeiten gelacht, uns gegenseitig einen Klaps auf den Rücken oder den Oberschenkel gegeben.
Wir tranken schwarzen Kaffee und aßen häufig rote Lakritzstangen. Meist waren sie schon hart. Holly brachte mir bei, dass man sie wieder weich und biegsam bekam, indem man sie in den Kaffee tauchte. Manchmal bissen wir abwechselnd in die gleiche Stange, und es erregte mich zu wissen, dass die Süßigkeit zuvor schon in Hollys Mund gewesen war.
Die Erinnerungen riefen
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