Finster
ein paar Sekunden eingeholt, sie aus der Nähe betrachten und mit ihr reden können …
Und würde sie zu Tode erschrecken.
Ich wollte ihr keine Angst einjagen. Und ich fühlte mich einem Treffen nicht gewachsen. Im Moment wollte ich ihr einfach nur folgen und sie ansehen. Mein geheimnisvolles Mädchen.
Hatte ich zuvor noch die Ängste eines Kindes ausgestanden, das im Bett liegt und darauf wartet, dass ein Monster aus dem Wandschrank steigt, so fühlte ich mich nun wie dasselbe Kind an einem wunderbaren Weihnachtsmorgen beim ersten Blick auf die bunten Lichter am Tannenbaum und die Schätze, die das Christkind gebracht hat.
Ergriffen und mit einem fast schmerzhaften Glücksgefühl folgte ich ihr den nächsten Häuserblock entlang.
Bis jetzt hatte sie sich nicht umgedreht.
Ich ging schneller. Der Abstand verringerte sich. Ihre Gestalt wurde größer und deutlicher. Je näher ich ihr kam, desto näher wollte ich ihr sein.
Vorsicht! Geh langsamer! Sie darf nicht merken, dass ich hier bin!
Wir schienen das Motorengeräusch im selben Moment gehört zu haben.
Randy?
Ich erstarrte.
Das Mädchen blieb weder stehen noch zuckte es zusammen, sie glitt einfach zur Seite und verschwand in den Schatten einer Wiese.
Ich lief zu einem Baum, der in dem Grünstreifen zwischen Bürgersteig und Straße wuchs. Sein Stamm war so
breit wie mein Körper. Ich versteckte mich stehend dahinter und hielt mich bereit, die Flucht zu ergreifen.
Als ich hinter dem Stamm hervorlugte, sah ich einen Wagen über die Kreuzung fahren. Es war ein normales Auto, kein Pick-up. Aber auf dem Dach befand sich eine Blaulichtanlage.
Polizei!
Der Streifenwagen schien es nicht eilig zu haben. Während er über die Kreuzung rollte und vorbeifuhr, ertönten aus dem Funkgerät Knacken, Piepsen und Wortfetzen.
Die Geräusche verklangen.
Ich beobachtete die Wiese, in der sich das Mädchen versteckt hatte.
Einige Minuten vergingen, doch sie tauchte nicht wieder auf.
Worauf wartet sie?
Ich lag weiter auf der Lauer und führte mir noch einmal vor Augen, wie sie verschwunden war: die Anmut und Geschwindigkeit, mit der sie sich gedreht und in die Dunkelheit gesprungen war. Wie eine Ballerina. Wie ein Kobold. Wie ein Ninja.
Vielleicht hat sie sich in einen Schatten verwandelt.
Klar, bestimmt, dachte ich und lachte innerlich über den Gedanken, obwohl es in dieser seltsamen Nacht und bei den Gefühlen, die das Mädchen in mir auslöste, nicht mal unmöglich schien.
Ich wartete.
Sie kam nicht.
Vielleicht weiß sie, dass ich hinter dem Stamm lauere und bleibt in ihrem Versteck, um zu sehen, was ich mache.
Sollte ich einfach weitergehen und so tun, als wüsste ich nicht, dass sie existierte?
Mit klopfendem Herzen kam ich hinter meinem Baum hervor. Ich blieb auf dem Bürgersteig stehen und blickte mich in alle Richtungen um, als würde ich befürchten, jemand verfolgte mich (für den Fall, dass sie mich beobachtete). Dann ging ich in Richtung der nächsten Querstraße.
Wahrscheinlich belauert sie mich gerade!
Meine Kehle schnürte sich zusammen. Mein Mund fühlte sich trocken an. Mein Herz schlug schneller und fester.
Sie beobachtet mich und schätzt mich ab. Bin ich ihr gefolgt? Bin ich eine Bedrohung?
Kurz darauf schritt ich scheinbar ungezwungen an der Stelle vorbei, an der sie verschwunden war.
Ich blickte in die andere Richtung.
Siehst du, ich interessiere mich nicht für dich. Ich weiß nicht einmal, dass du überhaupt da bist. Außerdem bin ich harmlos. Es gibt keinen Grund, Angst vor mir zu haben. Warum kommst du nicht heraus?
Sie kam nicht heraus.
Ich erreichte die Ecke und überquerte die Seitenstraße. Am ersten Haus ging ich vorbei, machte dann kehrt, hockte mich im Garten des Hauses in einer dunklen Ecke hinter ein paar Büsche und wartete darauf, dass das Mädchen sich zeigte.
Ich wartete und wartete.
Und hegte langsam den Verdacht, dass sie gar nicht mehr dort war. Anstatt sich ins Gras zu kauern und sich zu
verstecken, war sie vielleicht tiefer in die Dunkelheit vorgedrungen und hatte sich weit entfernt.
Ich wollte zurückgehen und die Wiese nach ihr absuchen.
Aber sie könnte noch dort sein und geduldig abwarten. Meine Rückkehr würde ihren Verfolger-Verdacht bestätigen.
Das Risiko war es nicht wert.
Schließlich gab ich auf und machte mich auf den Heimweg.
16
Für kurze Zeit wusste ich nicht, wo ich war und musste an drei Kreuzungen die Straßenschilder lesen, bis ich einen der Namen wiedererkannte. Die Straße
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