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Finstere Gründe

Finstere Gründe

Titel: Finstere Gründe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Kopf, reichtätowierten Armen und reichberingten Ohren sich neben ihn setzte und ihn fragte, ob er der Arsch sei, der sich seinen Platz in der Row unter den Nagel gerissen habe, weil wenn das so sei, er gut beraten wäre, wenn er sich schnellstens verpisse, wenn er wisse, was das beste für ihn sei.

    Cathy Michaels beugte sich wiederholt nach vorn, zur Seite und nach hinten, während die Wärme aus dem Fön durch ihr dichtes, rabenschwarzes Haar drang, das eigens für den Mikado zu einem Bubikopf geschnitten worden war und dessen ursprüngliches Blond sich allmählich wieder zeigte, wenn auch nur in wenigen Millimetern an den Wurzeln. Einen Augenblick lang war sie sich sicher, daß sie den Landrover draußen gehört hatte, und sie stellte den Fön ab. Aber es war falscher Alarm gewesen. Gewöhnlich war sie nur wenig oder gar nicht ängstlich, wenn sie allein im Cottage war, auch nachts nicht, und schon gar nicht, wenn Bobbie bei ihr war. Aber Bobbie war nicht bei ihr; er war unten im Pub, mit seinem Herrchen — und mit den Polizisten. Plötzlich fühlte sie Furcht fast greifbar über ihre Haut kriechen, wie ein schleichendes, drohendes Insekt.

    Es läutete Mitternacht, und Morse war dabei, sich einen Schlummertrunk aus der grünen, dreieckigen Glenfiddich-Flasche einzuschenken, als das Telefon ging: Dr. Hobson. Sie hatte sich einverstanden erklärt, ihn anzurufen, falls sie noch etwas anderes herausfinden sollte vor dem Ende dieses langen, langen Tages. Nicht daß es etwas aufsehenerregendes Neues gab, und ihr war klar, daß es damit Zeit für den nächsten Morgen hatte. Aber nein, es konnte nicht bis zum nächsten Morgen warten, Morse hatte darauf bestanden.
    Die Kugel, die Daley getötet hatte, stammte ziemlich wahrscheinlich aus einem Sieben-Millimeter- oder einem .243 Gewehr; sie war etwa zwei Zoll unter dem linken Schulterblatt in den Rücken eingedrungen und etwa einen Zoll über dem Herzen ausgetreten, und die Verletzung (das stand jetzt fest) war sofort tödlich gewesen. Die Zeit? Zwischen 10 und 11 Uhr — mit etwas Spielraum nach beiden Seiten — etwa zwischen 9.30 und 11.30 Uhr? Sehr wahrscheinlich war Daley aus einer Entfernung von 50 bis 80 Metern erschossen worden. Die Ballistiker könnten diesen Wert vielleicht verbessern, doch sie bezweifelte das.
    Es schien ihm zu gefallen, daß sie angerufen hatte, und sie wußte, daß es ihre Absicht war, ihm zu gefallen. Sie hörte Musik im Hintergrund, konnte aber nicht erkennen, was es war.
    «Sie sind doch noch nicht im Bett?» fragte sie.
    «Ich werde es bald sein.»
    «Was tun Sie?»
    «Trinke Scotch.»
    «Und hören Musik.»
    «Ja, das auch.»
    «Sie sind ein sehr kultivierter Bulle, nicht wahr?»
    «Nur manchmal.»
    «Nun, ich mach lieber Schluß.»
    «Ja.»
    «Gute Nacht also.»
    «Gute Nacht, und vielen Dank», sagte Morse leise.

    Nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte, saß Laura Hobson vollkommen still da und fragte sich, was mit ihr passiere. Er war fünfundzwanzig Jahre älter als sie!
    Mindestens.
    Zum Teufel mit ihm!
    Sie gestand sich ein, wie lächerlich die Angelegenheit war, doch sie konnte sich kaum dazu bringen zu lächeln.

Kapitel achtundfünfzig

    Wer Fragen stellt, kann den Antworten nicht aus dem Wege gehen

    (Sprichwort aus Kamerun)

    Es gab kaum Anzeichen von Anspannung oder übermäßiger Besorgnis in David Michaels’ Gesicht, als er am nächsten Morgen in Sprechzimmer 2 geführt wurde, wo Sergeant Lewis schon an einem Zeichentisch saß, ein Tonbandgerät neben seinem rechten Ellbogen. Er werde festgehalten (erklärte Lewis ihm), um in zwei Angelegenheiten vernommen zu werden: erstens wegen einer Aussage, die Dr. Alan Hardinge vor der Polizei gemacht habe und von der Michaels jetzt eine Kopie ausgehändigt wurde, und zweitens wegen der Ermordung von George Daley.
    Lewis zeigte auf das Tonbandgerät. «Nur um sicherzugehen, daß wir nichts falsch darstellen, Mr. Michaels. Wir haben in der letzten Zeit einiges einstecken müssen über die Art, wie einige Vernehmungen geführt wurden, verstehen Sie?»
    Michaels zuckte gleichgültig mit den Schultern.
    «Und Sie kennen Ihre gesetzlich verankerten Rechte? Sollten Sie wünschen, einen Anwalt hinzuzuziehen...»
    Aber Michaels schüttelte den Kopf und begann, Hardinges Aussage zu lesen...
    Er verfügte kaum über juristische Kenntnisse, war aber davon ausgegangen, daß er sich in diesem Fall nur einer kleinen Verschwörung schuldig gemacht hatte, mit dem Ziel, die Wahrheit ein wenig zu

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