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Finstere Gründe

Finstere Gründe

Titel: Finstere Gründe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Dinge jedoch sah, würde es mehr als einer bedürfen, um irgendwelche Hoffnungen wiederzubeleben, daß der vermißte Mr. James Myton jemals lebendig gefunden werden würde.
    Mitte des Nachmittags kam aus Ealing die Bestätigung, daß die in Pasticks gefundene Leiche die des James William Myton sei, der als Junge zuerst unter Aufsicht der Ortsbehörden gestellt wurde und später bei einem ältlichen Ehepaar (jetzt verstorben) in Brighton lebte. Danach wurde er eine Zeitlang auf der Isle of Wight in einer der Borstal-Anstalten Ihrer Majestät beaufsichtigt. Aber der junge Mann hatte immer gewisse praktische Fähigkeiten gezeigt, und 1989, mit 26 Jahren, verließ er die Insel Wight und zeigte angemessene Kenntnisse auf den Gebieten Zimmerhandwerk, Innenausstattung und Fotografie. Achtzehn Monate hatte er in den Fernsehstudios in Bristol gearbeitet. Eine Frau, die zwei Türen von ihm entfernt in Ealing lebte, beschrieb ihn so:     «Die Frau hätte Schriftstellerin werden sollen», sagte Morse.
    «Sie ist Schriftstellerin», sagte Lewis.
    Jedenfalls war Myton jetzt nicht mehr zu finden, und es war unwahrscheinlich, daß man ihn noch fand. In der Vergangenheit war er häufig ohne ständigen Wohnsitz gewesen, und in der Gegenwart, davon war Morse überzeugt, hatte er seinen ständigen Wohnsitz im Reich der Toten aufgeschlagen, wie die Schriftstellerin es hochtrabend ausgedrückt haben könnte.
    Doch im ganzen liefen die Dinge sehr gut — liefen ziemlich genau so, wie Morse es vorausgesagt hatte. Und für den Rest des Nachmittags entwickelte der Fall sich ruhig weiter: keine Überraschungen, keine Rückschläge. Um 17.45 machte Morse Feierabend und fuhr zu seiner Wohnung in Nord-Oxford.

    Für etwa zwei Stunden saß an jenem Nachmittag, wie an jedem Wochentag, die schwer übergewichtige Frau von Luigi Bertolese an der Rezeption im Prince William Hotel, während ihr Ehemann seine täglichen Geschäfte mit Mr. Ladbroke, Buchmacher, betrieb. Die Frühausgabe des Evening Standard lag neben ihr, und sie setzte sich ihre Lesebrille auf die kleine Nase und begann zu lesen. Zu solchen Zeiten mochte sie einige ihrer Gäste an eine Eule erinnern, die nach einem kräftigen Mahl ruhig auf einem Zweig saß — halb benommen, als ihre Augenlider sich langsam schlossen, und dann überaus weise, als sie sich wieder öffneten... sich jetzt öffneten, als Nummer 8 hereinkam, nach seinem Lunch. Und nach seinem Drink, wenn man von seiner Fahne ausging.
    Das Foto war auf der Titelseite, unten links: nur ein kleines Foto, und aufgenommen, als er einen Bart trug, den Bart, den er am Tag nach seiner Ankunft im Hotel abrasiert hatte. Obwohl Maria Bertoleses Englisch ziemlich dürftig war, verstand sie den Text unter dem Foto mühelos:
    Sie gab ihm den Zimmerschlüssel und zwei Zwanzigpfundnoten und wies mit dem Kopf auf die Zeitung.
    «Ich will keinen Ärger für Luigi nicht — sein Herz ist nicht gut — ist schlecht.»
    Der Mann nickte, legte einen der Zwanziger in seine Brieftasche und gab ihr den anderen zurück: «Für das Frühstücksmädchen.»
    Als Luigi Bertolese um 16 Uhr vom Wettbüro zurückkehrte, war Nummer 8 samt Gepäck verschwunden.
    Am Fahrkartenschalter im Bahnhof Paddington verlangte McBryde eine einfache Karte nach Oxford. Der 16 Uhr 2.0, der in Reading, Didcot Parkway und Oxford hielt, war schon auf Gleis 9 eingelaufen, aber bis zur Abfahrt waren noch zehn Minuten Zeit, und von einer British Telecom-Zelle direkt vor der Menzies-Buchhandlung rief er eine Nummer (Direktverbindung) im Lonsdale College, Oxford, an.

    Dr. Alan Hardinge legte langsam den Hörer auf. Wirklich ein Zufall, daß er in seinem Zimmer gewesen war. Aber vermutlich hätte McBryde ihn irgendwo, irgendwann doch erwischt; es hätte einen Morgen, einen Nachmittag oder einen Abend gegeben, da er hätte Rechenschaft ablegen müssen, eine Rechnung bezahlen, wie die Deutschen sagten. Er hatte sich natürlich bereit erklärt, den Mann zu treffen. Was blieb ihm anderes übrig? Und er würde sich mit ihm treffen, und sie würden kühl über einem Drink zusammensitzen und über viele Dinge reden: was getan werden mußte, und was nicht getan werden mußte.
    Und dann?
    O großer Gott, was dann?
    Er legte den Kopf in

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