Finstere Gründe
würde — wie wir es euphemistisch nannten. Wir erfuhren, daß sie sehr schön sei und dringend Geld brauche. Wenn wir zusehen wollten, würde das noch einmal 50 Pfund kosten, 100 Pfund im ganzen. Ich stimmte zu. Daley ebenfalls. Michaels auch. Ich war zuerst angekommen. Daley und Michaels trafen ein wenig später zusammen ein, und ich hatte den Eindruck, daß einer den anderen mitgenommen hatte. Ich wußte fast gar nichts über diese beiden Männer, außer daß sie beide irgendwie mit Wald zu tun hatten. Ich war beiden zwei oder drei Male vorher begegnet, aber noch nie beiden auf einmal.
Der fünfte Mann war Myton, den ich schon vorher gekannt hatte, muß ich zu meiner Schande sagen, als den Herausgeber einer Serie von Sex-Magazinen, deren besonderes Programm von Bestialität zu Pädophilie reichte. Er war ziemlich klein und zierlich gebaut, von wieselartigem Aussehen — mit einer scharfen Nase und stechenden kleinen Augen. Er brüstete sich oft mit seiner Zeit mit dem ITV Zodiac-Produktionsteam, und wie sehr er auch übertrieben haben mag, etwas war völlig klar: Was immer er für Videobänder aufnahm, was immer er für Standfotos fotografierte — Myton hatte den magischen Touch des geborenen Künstlers.
An den ersten Teil des Nachmittags kann ich mich nur vage erinnern. Das Zimmer, in dem wir saßen, das Kellerzimmer, hatte eine große, aufrichtbare Leinwand, und wir alle (mit Ausnahme von Myton) sahen uns dänische Hartporno-Videos an, als wir merkten, daß der gespannt erwartete schwedische Star eingetroffen war.
Es hatte geklingelt, McBryde hatte uns verlassen, und kurz darauf hörten wir Stimmen im Garten draußen — die Stimmen von Myton und der jungen Frau, von der ich jetzt weiß, daß es Karin Eriksson gewesen sein muß. Ich erinnere mich, daß ich zu dem Zeitpunkt sehr erregt war. Aber es kam anders, als wir dachten. Es stellte sich bald heraus, daß das Mädchen die Art ihres Jobs mißverstanden hatte; daß sie gern bereit war, eine Serie von nackten Standfotos zu machen, doch nur hinter verschlossener Tür, mit einer Kamera und mit einem Kameramann. Keine Diskussion.
Etwa eine halbe Stunde später hörten wir den schrecklichen Tumult im Zimmer direkt über uns, und wir folgten McBryde die Treppe hinauf. Die junge Frau (ihren Namen erfuhren wir erst Tage später) lag auf dem Bett. Sie lag bewegungslos da, überall auf den Bettlaken war Blut, leuchtendrotes Blut, frisches Blut. Doch es war nicht ihr Blut; es war Mytons! Er war auf dem Fußboden zusammengebrochen, hielt sich die linke Seite, keuchte jämmerlich, und seine Augen waren vor Schmerzen erweitert — und vor Furcht. Aber im Augenblick war es das nackte Mädchen, das unsere Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Es waren scheußliche hellrote Flecken auf ihrem Hals, und ihr Mund schien merkwürdig geschwollen, und Blut rann tröpfchenweise über ihre Wange. Ja, ihre Wange. Denn es war die Lage ihres Kopfes, die uns so erschreckte — nach hinten gebogen, als versuche sie mit aller Kraft, über ihre Stirn hinweg auf das Kopfbrett des Bettes zu blicken. Da wußten wir, vielleicht nicht sofort, aber sehr bald, daß sie tot war.
Wenn mir das Herz jemals vor Angst stockte und in Panik erstarrte, dann war es in diesem Augenblick. Häufig in der Vergangenheit, wenn ich mir irgendwo einen Sexfilm ansah, fragte ich mich, was passieren würde, wenn plötzlich ein Feuer ausbräche und die Ausgänge mit in Panik geratenen Männern blockiert wären. Gleiche Gedanken überfluteten mich jetzt. Und dann, hinter mir, ein schreckliches Geräusch!, als gurgle es in einem Spülstein in der Küche, und als ich mich umdrehte, sah ich, wie plötzlich dunkelrotes Blut aus Mytons Mund floß und sich in einem Schwall über den Teppich ergoß. Sechs oder sieben Male hob sich sein Körper in gewaltigen Zuckungen; dann lag auch er still, wie das Mädchen auf dem Bett.
Es ist unmöglich, sich Gewißheit zu verschaffen über die Folge der Ereignisse, die zu dieser Doppeltragödie führten. Ich habe keine Ahnung, was die anderen dachten; ich weiß auch nicht wirklich, was ich dachte. Vermutlich stellte ich mir vor, daß Myton sie filmte, während sie ihre verschiedenen Posen einnahm, daß ihn dann die Wollust packte und er versuchte, sie dort zu vergewaltigen, aber sie wehrte ihn ab, mit einem Teilerfolg. Mehr als einem Teilerfolg.
Uns allen war klar, daß sie ihn mit einem Messer erstochen hatte, von der Art von Vielzweckmessern, die Boy-Scouts bei sich tragen, denn sie
Weitere Kostenlose Bücher