Finstere Propheziung
andere Angelegenheit. Während Beth sich zu Cam gesellte, setzte sich Alex neben das Kind auf die Bank. Das kleine Mädchen starrte auf seine Hände mit den zerbissenen, geröteten Fingernägeln. Obschon sie sicherlich wusste, dass Alex da war, blickte sie nicht auf. »Hi! Ich bin Alex Fielding. Und du heißt Jenny, stimmt's ?« Das Kind gab keine Antwort. Aber das Schlagen seines verängstigten Herzens wurde lauter und noch schneller. »Du bist wohl ganz schön traurig«, bemerkte Alex sanft. Jenny zuckte mit den Schultern. »Ich war ein böses Mädchen«, sagte es. »Kann gar nicht« , widersprach Alex dem Kind. » Gleich als ich dich gesehen habe, wusste ich, dass du total nett bist. Ich konnte hören, wie dein Herz rast und ich fragte mich: Warum ist dieses liebe Mädchen wohl so ...«
»Böse«, unterbrach Jenny.
»Naja, ich hatte eher an >traurig< gedacht«, sagte Alex. »Das stimmt aber nicht« , behauptete Jenny, die endlich aufblickte.
Böse und traurig, hörte Alex die Gedanken des Mädchens . Ich habe etwas sehr Böses gemacht und jetzt bin ich traurig. Und Marleigh ist verschwunden. Und jetzt werden alle wütend auf mich sein.
»Nein, bestimmt nicht. Ich jedenfalls nicht« , beruhigte Alex das Kind. Jenny sah sie verwundert an. » Hey, du hast mich ja gehört«, sagte sie. Dann fiel ihr Blick auf Evans Anhänger, den matt im Licht schimmernden kleinen Totenkopf, der an der Kette um Alex' Hals hing. Alex fühlte, wie sich Jennys Körper versteifte. Fühlte, wie eine kalte Welle der Angst durch das Kind rollte. » Was hast du, Jenny? Was ist denn los?«, fragte sie. »Du bist nicht nett«, brach es aus dem kleinen Mädchen heraus, das plötzlich vor Alex zurückschreckte. »Du bist böse. Du bist auch böse.«
»Wow, sie haben eine Spur. Ich glaub's ja nicht!« Beth eilte zurück zum Klapptisch. »Alex, hör mal, was Bree gerade erfahren hat.«
»Neueste Marleigh-Nachrichten, wetten?«, riet Alex. Cam kam dazu und erklärte die Einzelheiten: »Als Marleigh und ich uns damals beim Spiel unterhalten haben, da sagte sie irgendetwas über einen >Fan<, der ihr fiese E-Mails geschickt hatte... «
»Und das FBI hat ihn gefunden! « Beth war völlig aus dem Häuschen. »Na ja, ich meine, sie haben herausgefunden, von wo die EMails geschickt wurden. Sie kamen alle von ein und demselben Computer. Der tatsächlich genau hier steht. In Marble Bay! «
»In einem Laden namens Music & More«, erläuterte Cam. »Marleighs Mutter hat der Polizei von diesen Verfolgungsbriefen erzählt, die ihre Tochter bekommen hatte«, erklärte Beth.
»Und Bree sagt, dass diese - Gerüchten zufolge - alle von einem Computer vom M & M im Stadtzentrum kamen«, beendete Cam ihren Bericht.
»Ist das nicht grässlich?«, fragte Beth und s tr i c h geistesabw es end über Jennys Kopf.
Cams Magen verkrampfte sich. Was bedeutete das? Dass sie mit ihrer Ahnung ins Schwarze getroffen hatte? Dass Marleigh tatsächlich von einem Verrückten entführt worden war, der sie vergötterte? Die Erinnerung an das blasse Gesicht der Sängerin, als sie Cam von dem Fan erzählte, der seine Briefe mit » Verehrer« unterzeichnete, übermannte sie wieder. Hätte Cam die Entführung verhindern können, wenn sie in der Stadt geblieben wäre? Wenn sie auf den runzeligen alten Mann gehört hätte, als er sagte: »Fahr nicht. Sie braucht dich jetzt.« Das waren seine Worte gewesen. Aber wenn sie nicht in Urlaub gefahren wäre, dann hätte sie auch Alex nicht getroffen.
Sie braucht dich jetzt. Das waren dieselben Worte, die ich auch gehört habe, dachte Alex, das war es, was der Mann aus meinen Träumen mir gesagt hat. Aber das war lange, bevor ich überhaupt etwas von Marleighs Verschwinden wusste. Cams Augen weiteten sich vor Überraschung. Sie konzentrierte sich auf Alex, die sie sanft anlächelte. »Hast du etwa gerade gesagt -?«, fragte Cam. »Nicht gesagt. Gedacht«, erwiderte Alex laut. »Psst«, machte Cam. Diese Sache mit dem Gedankenlesen verunsicherte sie total. Auch, gestand sie sich ein, wenn es natürlich irgendwie cool war.
»Der Cyber-Psycho hat sie wahrscheinlich entführt. Sie steckt m Schwierigkeiten«, sagte Alex.
»Oder steckte« , fügte Beth hinzu und presste Jenny an sich, als ob sie das verängstigte Kind beschützen wollte. »Vielleicht reagieren wir alle ein bisschen über.« Cam versuchte, sich die in ihr aufsteigende Unruhe nicht anmerken zu lassen. »Was reden wir denn da eigentlich? Wenn es eine olympische Disziplin
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