Finsteres Gold
die ersten hundert. An die anderen kommen wir gar nicht dran.«
»Wir geben nicht einfach auf. Vielleicht steht es ja in gar keinem Zusammenhang zu irgendwas, aber vielleicht ist es auch von großer Bedeutung«, sage ich. »Ab Erlegen Ski Wut – das enthält alle Buchstaben des Wortes Walküre, nicht wahr? Issie, leg ein neues Dokument an.«
Sie macht es, und ich lasse sie schreiben:
Ab erlegen Ski Wut.
Dann streichen wir alle Buchstaben des Wortes »Walküren« durch
Ab erlegen-Ski Wut .
»Also bleibt noch … oh … ›es gibt‹«, sagt Devyn missmutig. »Walküren existieren. Das ist nicht besonders hilfreich.«
»Mist.« Meine Hoffnung verpufft.
Nick drückt meine Hand. »Nein. Da ist ja noch der andere Satz. Gebt nicht gleich auf.«
Wir geben nicht auf, aber wir kommen keinen Millimeter weiter. Schließlich verschwindet Devyn nach Hause, um dort weiterzurecherchieren und seinen Eltern meine Blutprobe zu bringen. Nick geht zusammen mit Issie auf Patrouille. Und ich schnappe mir keinen Spiegel und rolle mich nicht wie ein Embryo zusammen, sondern schreibe Briefe an den georgischen Begnadigungsausschuss, maile die Info weiter und wünsche mir, dass ich mehr für die Menschenrechte tun könnte. Doch ganz hinten in meinem Kopf entladen sich hartnäckig mit lautem Donnerhall sorgenvolle Gedanken: Was wird der Bluttest ergeben? Warum war der Elfentyp im Wald so nett zu mir? Wie wird Nick sich verhalten, wenn ich mich tatsächlich in einen Elf verwandle? Denn, machen wir uns nichts vor, Werwesen sind Elfen gegenüber sehr voreingenommen, und nach allem, was ich erlebt habe, kann ich ihnen das nicht verübeln.
»Denk nicht nach«, befehle ich mir selbst. »Du hast immer und immer wieder darüber nachgedacht. Du hast dich gehen lassen. Recherchiere lieber.«
Und das tue ich auch. Ich kaure über Grams Laptop und google »wie verwandelt man sich nicht in einen Elf«. Da stolziert meine Großmutter durch die Tür, noch von Kopf bis Fuß in Uniform, groß und mutig und furchtlos – das komplette Gegenteil von mir.
»Hallo«, ruft sie und stößt die Tür hinter sich zu. »Na, immer noch schlecht gelaunt … immer noch, wie heißt das nochmal? Emo?«
»Emo ist eine abwertende Bezeichnung.« Ich klappe den Laptop zu und streiche mit der Hand über die kalte, glatte Oberfläche.
»Warum?«, lacht sie. »Weil es eine Abkürzung für Emotion ist? Es spricht nichts dagegen, emotional zu sein und Gefühle zu zeigen. Weißt du, es gibt viele gute Gefühle hier draußen.«
Das Telefon klingelt. Gram nimmt ab: »Hallo?«
Ich warte. Bilder von Astley blitzen in meinem Kopf auf. Ich verdränge sie, indem ich an Charleston denke, an Delfine, die durch die Wasseroberfläche brechen, an warme Luft, Blumen.
»Nein, ich bin gerade nach Hause gekommen, Josie. Was ist los?«, fragt Gram.
Ich stecke das Netzkabel ein, um den Laptop wieder aufzuladen, und stelle dann fest, dass meine Großmutter, die in die Küche geschlendert ist, immer noch telefoniert.
»Ich geh duschen«, flüstere ich ihr zu. »Ich habe heute Abend eine Verabredung mit einem Werwolf, der Elfen hasst. Ich muss nach Mensch riechen.«
Sie tut so, als würde sie an mir schnuppern, und verzieht dann übertrieben angewidert das Gesicht.
»Das ist ja nett«, protestiere ich. »Was habe ich für eine nette Großmutter.«
Sie schickt mich mit einer Handbewegung die Treppe hinauf. Wegtreten.
Während ich unter der Dusche stehe, klingelt mein Handy, und da ich eine absolute Sklavin der Technik bin, nehme ich das Gespräch an.
»Zara?«
»Hallo, Nick.«
»Was machst du gerade?«
Von meinem gesunden Arm tropft Wasser auf den kleinen pinkfarbenen Teppich, der direkt vor der Toilette liegt. In den nassen Flecken ist die Farbe dunkler. »Ähm …«
»Duschst du?«
»Ja.«
Er sagt nichts. Und ich sage auch nichts. Sein Atem ist so laut, dass er das Rauschen des Wassers übertönt. Ich bin nackt. Er weiß, dass ich nackt bin. Ich könnte ausflippen. Ich beäuge die Handtücher und sage schließlich: »Ich bin nicht mehr blau.«
»Weil du jetzt rot bist?«
»Hä? Woher weißt du, dass ich rot bin?«
»Weil dir das jetzt unangenehm ist und du dich schämst.« Er lacht.
Die Dusche läuft immer noch. Er sagt nichts. Und ich sage auch nichts. Ich verschwende Wasser. Ist mir egal. Böse Zara. Böse Pseudo-Umweltschützerin, pseudo-menschliche Zara.
»Du stehst nicht wirklich mit dem Handy unter der Dusche, oder? Das ist nämlich gefährlich.« Er
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