Finsteres Gold
Reading eine Eins. Hab eben einen guten Wortschatz.«
»Gut gemacht, Sprachgenie.« Is täuscht Jubel vor, aber ihre Worte fallen ins Leere.
»Sprachgenie?«, wiederhole ich und versuche, noch etwas zu retten.
»Ach, Is …« Dev dreht sich um und schaut sie an.
»Das könnte doch dein Superheldenname sein«, schlage ich vor.
Im Auto herrscht unbehagliches Schweigen. Issies Anspannung ist fast mit Händen zu greifen. Ich weiß, wie schwer es ihr fällt, mit Devyn zusammen im Auto zu sitzen. Sie wünscht sich so sehr, dass er sie zu dem Ball einlädt, und sie hat keine Ahnung, wie sie mit der Cassidy-Geschichte umgehen soll. Wir fahren an Bäumen vorbei und an Langholzlastern, fahren Hügel hinauf, umrunden Kurven, und auf einmal steigt Nick auf die Bremse. Mein Kopf schleudert gegen die Kopfstütze.
»Was ist?«, schreit Issie.
»Heilige …« Nick springt aus dem Auto und schaut in den Himmel hinauf.
Auch wir steigen aus. Ich recke den Hals. Weit oben fliegt etwas Komisches. Es sieht aus wie zwei zusammengeschobene Gestalten mit gewaltigen Schwingen.
»Die Walküre«, wispere ich. »Sie hat jemanden.«
Wir stehen einen Augenblick nur da und schauen, dann herrsche ich Devyn an: »Devyn? Kannst du dich verwandeln?«
Er nickt. »Ich denke schon.«
»Dann versuch es. Folge ihr. Finde heraus, wohin sie fliegt«, befehle ich ihm.
Issie kommt zu meiner Seite des Wagens, und wir drehen ihm den Rücken zu, während Devyn seine Klamotten von sich wirft. Kurze Zeit später ist er ein Vogel. Er startet. Harte, kräftige Schläge mit den riesengroßen Adlerschwingen heben ihn in den kalten weißen Himmel. Die Wolken stehen hoch und sehen nach Sturm aus.
»Sei vorsichtig!«, ruft Issie. »Pass auf dich auf, Sprachgenie!«
Er schraubt sich in die Höhe und ist verschwunden. Issie lehnt sich an mich, und ich schiebe sie in den Wagen hinein. Nick schnappt Devyns Kleider und steigt auch wieder ein. Wir drehen die Heizung auf und warten. Niemand spricht über irgendwas, nicht über Elfen oder über den Ball, nicht über Liebe oder Klassenarbeiten oder blaue Haut.
Zum Glück ist Devyn bald wieder zurück. Er verwandelt sich neben dem Auto in seine menschliche Gestalt zurück, zieht sich an und steigt zitternd vor Kälte ein. Während er die Hände vor den Heizschacht hält, erzählt er uns, was er gesehen hat: Eine Frau mit Schwanenschwingen, die einen weiblichen Elf in den Armen hielt.
»Sie ist mir entkommen. Sie ist in die Wolken eingetaucht, und dann war sie einfach weg.« Er fährt sich mit zitternder Hand durch die Haare. »Ich kann es nicht fassen, dass sie mir entkommen ist.«
Devyn und Nick theoretisieren darüber, dass die Anwesenheit der Walküre gut für uns ist. Wenn sie Elfen mitnimmt, dann sinkt die Zahl der Elfen, um die wir uns kümmern müssen. Aus diesem Grund, meinen sie, haben wir in der letzten Woche nicht so viele gesehen. Und ich? Ich habe sie aus der Nähe gesehen, und ich bin mir nicht so sicher.
Elfen-Tipp
Nachts sind Ellen stärker als tagsüber. Bleib im Haus. Die Nacht ist nicht die richtige Zeit, um auf Elfenjagd zu gehen.
»Das ist das Irrste, was ich je gesehen habe«, sagt Issie.
Wir sind bei mir zu Hause, und ich zeige ihnen das Buch mit den Notizen meines Vaters, das ich oben gefunden habe.
»AB ERLEGEN SKI WUT? GNADE WC REH ALLAH TAL WER HUF BIBER ECKE DU REUE OBST REIF? Das sind nicht gerade die besten Anhaltspunkte«, sagt Nick ausgelassen. »Tut mir leid, Baby.«
Ich pike ihn über der Gürtelschnalle in den Bauch und reiche das Buch an Devyn weiter. »Ich glaube, das sind Anagramme.«
Devyn nimmt das Buch. »Wahrscheinlich hast du recht. Lass mich nachdenken. Das einzige Anagramm, das ich aus dem Ärmel schütteln kann ist ›REGIERUNGSERKLAERUNG – GRR KNAUSERIGE LUEGNER‹.«
»Im Netz gibt es einen Anagramm-Generator«, sagt Issie und klappt Bettys Laptop auf. »Mal sehen, was wir finden.«
Sie lädt die Seite hoch und tippt: »Ab erlegen Ski Wut.« Wir bekommen 14683 Treffer. Wir drängen uns um den Rechner, während sie laut vorliest: »Ab Tilge Wen Es Kur. Kern Ab Geil Wuest. Nest Ab Igel Er Ukw. Kurt Geil Ab Wen Es. Selig Unke Ab Wert. Ab Gleis Tunke Wer. Tee Ab Lein WG Kurs …«
»Das geht so nicht«, knurrt Nick. Er will sich zurückziehen, aber ich berühre ihn sanft am Arm, und er atmet leise aus. Es ist fast so, als müsse ich ein Pferd beruhigen.
Devyn pflichtet ihm bei. »Das sind zu viele Ergebnisse. Außerdem werden gar nicht alle angezeigt, nur
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