Finsteres Gold
allein sein?«, frage ich, aber zugleich wird mir bewusst, was ich da tue: Ich frage ihn, als ob er die Kontrolle über mich hätte. Aber er kann mich kontrollieren. Das hat er mir deutlich gemacht. Ich will das nicht. Bevor er also meine erbärmliche Frage beantworten kann, gehe ich ins Bad, als ob es keine Rolle spielen würde, dass er der Elfenkönig ist, dass meine Bedürfnisse und meine Gefühle mit seinen Bedürfnissen und Gefühlen verbunden sind.
Außerdem werde ich gleich durchdrehen, und ich werde allein durchdrehen, verdammt noch mal.
Ich mache die Tür hinter mir zu. Der goldfarbene Türknauf ist kalt und zittert. Nein, meine Hand zittert. Ich atme ein paarmal tief ein, lehne mich gegen die Tür und greife nach dem Handtuchhalter. Er scheint brennend heiß zu sein, und ich reiße meine Hand zurück. Wahrscheinlich enthält er ein bisschen Eisen. Mann … kann ich nichts mehr anfassen? Die Handtuchhalter bestehen aus einem silbrigen Metall. Der Wasserhahn ist aus Metall.
Die ganze verdammte Welt ist aus Metall, und viel von dem Metall enthält Eisen und Stahl.
Ich hole noch einmal tief Luft.
Und noch einmal.
Ich kann mich nicht beruhigen.
Das Bad hat die standardmäßige Hoteleinrichtung. Ein Spiegel über dem Waschbecken bedeckt eine ganze Wand. Es gibt eine Toilette und eine Duschwanne in langweiligem Beige. Aber nicht alles ist so. Die weißen Handtücher auf dem Boden haben rote Blutstreifen. Im Abfalleimer liegen tiefrote, zusammengeknüllte Papiertaschentücher. Sogar am Spiegel ist eine Blutspur, inzwischen zwar angetrocknet, aber immer noch eklig. Das Blut stammt wahrscheinlich alles von mir. Astley hatte auch Kratzer, aber … Schaudernd nehme ich einen ekelhaft roten Waschlappen und drehe mit ihm den Wasserhahn auf. Dann halte ich meine Hände unter den warmen Wasserstrahl und fange an, an meiner Haut herumzuschrubben. Ist das überhaupt meine Haut? Mit dem Wasser fühle ich mir nur ein winziges bisschen besser, denn unter der Haut ist ein Elf. Ich sehe vielleicht aus wie ein Mensch, aber ich bin kein Mensch mehr. Ich bin etwas vollkommen anderes.
»Was habe ich getan?«, flüstere ich mir zu, und jedes Wort hat Gewicht, setzt sich fest und macht mich wütend. Ich sage es noch einmal: »Was habe ich getan?«
Der Zorn peitscht durch mich hindurch. Meine Faust schlägt auf den Waschtisch aus Granit. Staub wirbelt auf. Ich ziehe die Hand weg. Wo sie lag, ist eine Delle. Ich habe mit der Hand eine Delle in den Stein geschlagen. Warum konnte ich das tun? Weil ich ein Elf bin, deshalb. Wow. Einfach … wow!
Ich inspiziere meine Hand. Nichts gebrochen. Wenn ich ein Mensch wäre, hätte ich mir bei dieser Aktion die Knochen gebrochen.
»Ich bin kein Mensch mehr«, sage ich zu mir selbst, aber ich schaue nicht in den Spiegel. Ich möchte mich nicht anschauen und Trübsal blasen und zweifeln.
Ehrlich gesagt, möchte ein Teil von mir unbedingt in den Spiegel starren und Trübsal blasen und zweifeln, aber ein anderer Teil will einfach nur feiern. Ich bin stark. Nein, ich bin unglaublich stark. Wenn ich früher schon so stark gewesen wäre, hätte ich Nick im Kampf gegen diesen Elf beistehen können. Und ich hätte Issie und Betty und Dev viel besser beschützen können.
Vorsichtig berühre ich den goldfarbenen Türknauf. Es tut nicht weh. Ich öffne die Tür und spähe hinaus. Astley steht am anderen Ende des Raumes und schaut aus dem Fenster, aber er dreht sich um, als ich mich räuspere.
»Ich bin echt stark«, sage ich.
»Ja, das bist du.«
»Nein, ich meine, richtig stark. Ich habe eine Delle ins Waschbecken gemacht.«
»Mach dir deswegen keine Sorgen, Zara.« Sein Gesicht bewegt sich kaum, und sein Tonfall verändert sich nicht. »Es ist kein Problem.«
Kein Problem? Okay … Ich schließe langsam die Tür. »Ich dusche jetzt.«
Ich habe es ihm einfach gesagt. Ich habe nicht gefragt. Ich schließe hinter mir ab, auch wenn ich weiß, dass er die Tür einfach aus den Angeln heben könnte. Ich könnte sie auch aus den Angeln heben. Ich untersuche meine Arme, berühre mit der linken Hand den Bizeps und Trizeps meines rechten Arms. Sie sind hart wie Granit. Das ist cool, aber es fühlt sich gefährlich an. Mein Glücksgefühl versiegt auf der Stelle, denn ich weiß, dass ich die Bösen verletzen könnte, aber ich könnte auch die Guten verletzen. Ich habe mir nichts dabei gedacht, als ich auf den Waschtisch gehauen habe. Was, wenn ich auf Devyn wütend werde und ihm dann etwas antue? Oder
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