Finsteres Licht
so zu sehen, sondern auch so zu erleben und zu spüren. Unbewusst streckte ich meine Hand nach ihm aus und berührte seine Wange. Ich hatte das Gefühl ihn trösten zu müssen. Ihm Halt geben zu müssen. Ich wollte es irgendwie unbedingt. Seine Mundwinkel hoben sich zu einem trägen Lächeln und er legte sein Gesicht nach Geborgenheit suchend in meine Hand.
„Ich vermisse dich so sehr, Sarah.“
Seine Worte drangen tief in mein Herz. Auch ich sehnte mich nach ihm. Trotzdem zog ich meine Hand wieder zurück.
„Kannst du nicht fühlen, dass wir zusammen gehören? Spürst du es nicht?“
Doch. Ich spürte es in jeder Faser meines Körpers. In dem Moment, als unsere Lippen sich getroffen hatten, wusste ich es tief in mir. Aber diese ganzen Intrigen und Zauber verunsicherten mich so wahnsinnig, dass mein Verstand sich weigerte, es zu glauben.
„Ich fühle es durchaus. Aber es ist so viel passiert. Ich weiß nicht mehr, ob ich diesen Gefühlen auch wirklich trauen kann. Verstehst du das?“
Ich hoffte, dass er es tat.
„Ja“, war seine von Enttäuschung schwere Antwort .
Eine erdrückende Stimmung machte sich breit und ich erinnerte mich an die Schwiegertochter-Sache bei Nitsa. In der Hoffnung William ein wenig aufheitern zu können, wechselte ich das Thema.
„Verstehe ich mich mit deiner Mutter?“, platzte ich einfach heraus , ohne lange darüber nachzudenken.
Es schien mir ein gutes Thema zu sein, aber William schaute mich verständnislos und verwirrt an.
„Wie kommst du darauf?“, hakte er nach.
„Nun ja, wenn wir eine Familie sind, sollte ich mich doch gut mit ihr verstehen, oder nicht? Ich kann mich ja leider nicht daran erinnern.“
Ich versuchte witzig zu sein und unterstrich meine Amnesie mit einem Grinsen.
„Du kennst sie nicht“, antwortete er knapp.
„ Warum?“
„Weil sie tot ist.“
Verdammt.
„Das tut mir leid … ich wollte nicht … ich wusste nicht …“
„Schon gut. Das ist lange her“, besänftigte er mich.
„Wie lange?“
„Sie starb 1872.“
„Wow, das ist wirklich lange her. Gott, wie alt bist du?“ Steinalt, bestimmt.
„Ich bin 197 Jahre alt , wenn man die Zeit mitrechnet, die ich als Mensch gelebt habe .“
„Wahnsinn. Und da lässt du dich mit so einem jungen Ding wie mir ein?“, warf ich ihm scherzhaft vor.
„Tja, ich habe lange auf dich gewartet. Und um ehrlich zu sein gefällt mir dein jugendliche r Leichtsinn sogar.“
Ich schaute ihn entrüstet an. Doch allein schon wegen seines schelmischen, attraktiven schiefen Grinsens wegen, konnte ich ihm nicht wirklich böse sein.
„ Leichtsinn . Ha, das s ich nicht lache.“
Wobei, ich hatte keine Ahnung ob ich tatsächlich leichtsinnig war, bevor ich verzaubert wurde. Hier war ich ständig auf der Hut und darauf bedacht, keinen Fehler zu machen, der mich das Leben kosten könnte.
„Das war ein Scherz. Leichtsinnig ist das falsche Wort. Unvorsichtig passt besser.“
„Dann bin ich doch schuld an meiner Situation. Und an deine r “ , seufzte ich schuldbewusst.
Er schaute mich ernst an.
„Vielleicht hättest du es vermeiden können. Möglicherweise. Aber das ist egal. Jetzt ist es nun mal so und ich werde alles tun um dich hier rauszuholen.“
Ein trockener Tonfall und gewichtiger Ausdruck verliehen seinen Worten Nachdruck.
„Erzähl mir von Philadelphia“, bat ich.
„Was möchtest du wissen?“
„Irgendetwas.“
Obwohl ich die Hoffnung schon beinahe aufgegeben hatte, dachte ich, es würde mir helfen, mich irgendwann an etwas zu erinnern.
„Wir wohnen mit unseren Freunden zusammen in einer Stadtwohnung.“
Erstaunlich. Eine Wohngemeinschaft also.
„Wie viele sind es?“
„Jeremy und Amanda hast du bei unserem ersten Treffen kennengelernt. Du hast gegen sie gekämpft.“
„Die Brünette und der Schwarzhaarige ?“
William nickte.
„Dann sind da noch meine Schwester Emily und Alex. “
„Si n d die auch alle zusammen … also, nicht alle miteinander. Du weiß schon was ich meine.“
Er lachte erheitert über meine Wortwahl.
„Ja, ich weiß was du meinst. Nur Alex und Emily sind zusammen. Amanda und Jeremy sind nur Freunde.“
„Sind alle Vampyr e?“
„Ja. Alex verwandelte sich kurz vor dir. Wir anderen leben schon länger als Vampyr e.“
„Vertrage ich mich mit deiner Schwester?“
William lächelte.
„Als du noch ein Mensch warst hattet ihr Streit. Emily dachte, ich würde mich sinnlos in ein Menschenmädchen verlieben. Als wir bemerkten, dass du nicht rein
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