Finsteres Verlangen
den Kerzenschein wirkte das Wasser dunkel und verbarg mehr von Richard, als ich gern gesehen hätte. Ich kam mir vor wie ein Spanner. Mein Hunger war mühelos auf etwas anderes gelenkt worden, wie immer.
Richard hob den Kopf und sah mich an, und beim Anblick seiner kurz geschorenen Haare bekam ich einen Kloß im Hals. Warum?, wollte ich fragen, aber er kam mir mit dem Reden zuvor. Es war das erste Mal, dass wir in unseren Gedanken miteinander sprachen, und es erschreckte mich. Dass Jean-Claude und ich es konnten, wusste ich ja, aber dass es auch mit Richard ging, war mir neu.
»Es ist mein Hunger, den du spürst, Anita, entschuldige bitte. Diese Kreatur hat durch irgendetwas meine Selbstbeherrschung zunichte gemacht.« Einen Moment lang dachte ich, er meinte die Mutter aller Finsternis, doch er sprach von Belle.
Ich sah in Calebs angstvolle Augen, dann wurde mein Blick erneut von seinem Hals angezogen und wanderte über die Brust zu seinem Bauch. Er atmete so heftig, dass dort, wo die Haarlinie in seinem Hosenbund verschwand, eine Ader pochte. Weich und zart war der Bauch, versprach viel Fleisch.
»Anita«, sagte Richard. »Anita, hör mir zu.«
Ich musste die Vorstellung von Calebs zuckendem Fleisch wegblinzeln und sah Richard wieder deutlicher als das, was ich in Wirklichkeit vor mir hatte. »Wie bitte?«, fragte ich in Gedanken.
»Du kannst den Hunger nach Fleisch in Verlangen nach Sex umwandeln, Anita.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich glaube, ich würde Caleb lieber fressen als ficken.«
»Du hast noch niemanden gefressen, sonst würdest du das nicht sagen.«
Dem konnte ich nicht widersprechen. »Soll das heißen, du hättest ernsthaft nichts dagegen, wenn ich mit Caleb bumse?«
Er zögerte. Das Wasser schimmerte im Kerzenschein, als er sich bewegte. Ich sah ein Stück Knie und Oberschenkel. »Wenn nur zur Auswahl steht, ob du ihn frisst oder bumst, dann ja.«
»Du wolltest mich nicht mal mit Jean-Claude teilen.«
»Wir sind nicht mehr zusammen, Anita.«
Autsch. »Entschuldigung, hab ich für einen Moment vergessen.« Der scharfe Stich wie von einer halb verheilten Wunde half mir, ein wenig klarer zu denken. »Jason ist in Wolfsgestalt, Richard. Mit Pelztieren mache ich’s nicht.«
»Das kann ich ändern.« Ich sah sein Tier wie einen goldenen Schatten aus ihm heraus in mich hineinspringen. Es war, als bekäme ich einen Dolch in den Leib gerammt, doch dann fuhr er durch mich hindurch in Jason, und plötzlich steckte ich mitten in all der Macht, dem Schmerz, der Wut. Das Tier ernährt sich davon, es ist quasi das elementare Es. Ich kniete atemlos vor Caleb und konnte nicht einmal schreien.
Jason schrie umso mehr, und ich spürte, wie sein Tier ihm entglitt, nein, wie es in ihn hineingestopft wurde wie in einen bereits vollen Koffer, nur dass der Koffer Jasons Körper war, und das tat weh. Ich spürte, wie sich seine Knochen verdrehten, Sehnen rissen und neu ansetzten. Scheiße, tat das weh. Ich fing einen fernen Gedanken von Richard auf, dass die Schmerzen so stark waren, weil die Verwandlung erzwungen wurde.
Das Fell zog sich in die blasse Haut zurück. Jasons Körper wurde kleiner. Schließlich lag er zitternd in einer klaren Pfütze. Ich kniete halb darin, meine Jeans war nass. Jason hatte sich in einen Wolf verwandelt, aber nichts gefressen. Nun war er keine halbe Stunde später zurückverwandelt worden. Vielleicht hätte er das mit vollem Magen besser überstanden, aber so lag er zitternd und zusammengekauert auf der Seite, versuchte sich mit den Armen warm zu halten. Und wie Caleb wusste er, dass es schlecht wäre, mich anzufassen.
Jason war jetzt für Caleb nicht mehr gefährlich. Bis er sich ausgeschlafen hätte, stellte er für keinen eine Gefahr dar. Eigentlich … Ich starrte auf die Wölbung seines Hinterns. Er war so glatt, so fest, so zart. Ich sah ihn nackt daliegen und dachte überhaupt nicht an Sex. Richard hatte mir nur die Wahl zwischen zwei Mahlzeiten gegeben.
Ich blickte Richard in der Vision an. »Ich denke nur noch daran, die Zähne in ihn zu schlagen. Du hast ihn hilflos gemacht, und ich habe immer noch Hunger, weil du noch Hunger hast.«
»Ich werde hier etwas zu essen finden. Ich werde satt werden, aber du kannst nicht jagen, Anita. Du willst keinen von beiden verletzen.«
Ich schrie meine Frustration in den Wagen, laut und lange, und ballte dabei die Fäuste. Schließlich schlug ich mit der Faust gegen die Seitenwand. Ich hörte das Metall ächzen, und das ließ
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