Finsteres Verlangen
Werratten noch da, und die meisten von ihnen sind Ex-Söldner oder von ähnlichem Kaliber. Ich werde schon mal anrufen und Bobby Lee nach seiner Meinung fragen.«
»Worüber?«, fragte Caleb vom Rücksitz. Seine Augen waren noch immer zu groß, und er roch nach Angst, aber er sah den Wolf neben sich nicht an. Was er fürchtete, befand sich nicht in seiner unmittelbaren Nähe.
»Ob wir sie stellen oder umkehren und ihnen nachfahren sollen.«
»Sie stellen? Wie denn?«, fragte Caleb.
»Das weiß ich noch nicht. Aber davon verstehe ich mehr als vom Beschatten. Ich bin eigentlich kein Ermittler. Ich sehe Hinweise, wenn ich sie direkt vor der Nase habe, und kann ein fachmännisches Urteil zu Leichen abgeben, die von Monstern zugerichtet wurden, aber mehr auch nicht.«
Er sah mich verwundert an.
»Ich bin Henker, Caleb, ich töte Monster.«
»Aber manchmal musst du sie erst verfolgen, bevor du sie töten kannst«, wandte Nathaniel ein.
Ich betrachtete ihn von der Seite. Er achtete auf den Verkehr und hatte beide Hände am Lenkrad, genau auf zwei und zehn Uhr. Er hatte seinen Führerschein erst seit einem Jahr. Wenn ich nicht darauf bestanden hätte, hätte er immer noch keinen.
»Stimmt, aber die hier will ich nicht töten, sondern befragen. Ich will wissen, warum sie uns folgen.«
»Tun sie scheinbar gar nicht«, sagte Nathaniel.
»Was?«
»Der blaue Jeep ist nicht auf den Highway aufgefahren.«
»Haben vielleicht gemerkt, dass wir sie gesehen haben.«
»Oder sie wissen, wo der Meister schläft, und demnach auch, wo sie seine Freundin finden werden«, erwiderte Nathaniel ruhig, den Blick auf die Straße gerichtet. Er wusste, dass ich nicht gern so genannt wurde. Aber davon abgesehen hatte er recht. In der Hinsicht war ich verdammt berechenbar.
Jasons großer pelziger Kopf kam um meine Kopfstütze herum und rieb sich an meiner Schulter. Sein Fell kitzelte mich an der Wange. Ohne nachzudenken tätschelte ich ihn, wie man es bei einem Hund tut. Sowie ich ihn berührte, durchfuhr mich der Hunger von Kopf bis Fuß. Meine Haare richteten sich auf. Es fühlte sich an, als würde mir was den Hinterkopf hinaufkrabbeln.
Der Wolf und ich drehten gleichzeitig den Kopf zu Caleb. Könnte ich Wolfsaugen bekommen, wäre es in dem Moment passiert.
Caleb sah verängstigt aus. Wenn er sich einfach still verhalten hätte, wäre wahrscheinlich nichts passiert, aber das tat er nicht. Er löste die verschränkten Arme und rutschte von uns weg.
Jason knurrte, und ich glitt zwischen den Sitzen durch nach hinten, ehe ich mich besinnen konnte. Schlechte Idee. Der Gedanke hätte mich vielleicht wieder zur Vernunft gebracht, doch Caleb flüchtete. Er rollte sich über die Rückbanklehne auf die Ladefläche, und Jason und ich rollten hinterher. Es war wie bei Wasser, das denselben Weg nimmt.
Wir fassten Caleb nicht an, sondern knieten uns nur vor ihn. Er drückte sich in die hinterste Ecke, die Hände vor der Brust, und versuchte, sich so klein wie möglich zu machen. Ihm war wohl klar, dass die geringste Berührung üble Folgen hätte. Jason hockte auf den Fersen, bleckte die Zähne und knurrte leise. Man verstand instinktiv, was er damit sagen wollte: Wage nicht, dich zu bewegen. Caleb rührte sich nicht.
Ich kniete vor ihm und sah nichts als den Puls an seinem Hals, der gegen die Haut klopfte, als wollte er raus. Ich verspürte den Drang, ihm dabei zu helfen.
Plötzlich roch ich Wald, Bäume und Wolfsfell, das nicht Jasons war. Richard drang in meinen Geist ein. Ich sah ihn in meiner Badewanne sitzen, einen Arm vor der Brust, der dunkler war als seine eigenen. Der Arm gehörte Jamil, der ihn im Wasser festhielt, damit sein Ulfric nicht ertrank. Er tat dasselbe, was Jason kürzlich für mich getan hatte, ich meine, ohne den Sex. Richard war ein bisschen homophob. Er mochte keine Männer, die sich anmerken ließen, dass sie Männer mochten, besonders wenn sich die Neigung auf ihn richtete. Allerdings durfte ich kaum mit Steinen werfen, denn mir ging es mit Frauen genauso. Egal wie abgeklärt ich angeblich war, ich vergaß immer wieder, dass mich auch mal eine Frau attraktiv finden könnte. Es erwischte mich jedes Mal wieder unvorbereitet.
Hinter Richard war ein wenig von Jamils Gesicht zu sehen, aber ich achtete nicht auf ihn. Ab und zu sah ich Richards Körper durch das Wasser schimmern. Es brannten nur ein paar Kerzen im Bad. Lykanthropen waren manchmal sehr lichtempfindlich. Darum brannten die Deckenstrahler nicht, und durch
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