Finsteres Verlangen
Dienstausweis haben, aber der macht Sie nicht zum Polizisten.«
He, sie war neidisch. Ich holte tief Luft und atmete ruhig aus. Es würde mir nichts bringen, wenn ich mich mit ihr zankte. Darum ließ ich es. Tapfer.
»Ich bin sicher kein Polizist wie Sie, aber doch ein ordnungsgemäß ernannter Bundesmarshal.«
»Sie dürfen sich in jeden Fall mit übernatürlichen Faktoren einmischen. Aber solche Faktoren gibt es bei diesem Fall nicht.« Sie sah mich ruhig an, aber ihr Ärger war spürbar. »Also, schönen Tag noch.«
Ich blinzelte und zählte dann langsam bis zehn.
Ein Kollege kam hereingeschlendert. Er hatte kurze blonde Locken, Sommersprossen und ein breites Grinsen. Er wirkte so frisch und unverbraucht, er konnte höchstens seit gestern bei der Zivilfahndung sein. »James sagt, wir haben einen internationalen Topspion geschnappt. Stimmt das?«
Ein gequälter Ausdruck huschte über O’Briens Gesicht. Fast hörte man sie »Scheiße« sagen.
Ich grinste den jungen Kollegen an. »Interpol hat geantwortet, hm?«
Er nickte eifrig. »Der Deutsche wird weltweit gesucht. Industriespionage, Terrorismusverdacht –«
O’Brien schnitt ihm das Wort ab. »Gehen Sie, Detective Webster, gehen Sie mir aus den Augen.«
Sein Lächeln fiel in sich zusammen. »Habe ich etwas Falsches gesagt? Ich meine, der Marshal hier hat die Festnahme herbeigeführt, da dachte ich –«
»Gehen Sie, sofort«, sagte O’Brien mit einem Knurren, auf das jeder Werwolf stolz gewesen wäre.
Detective Webster ging ohne ein weiteres Wort. Er sah besorgt aus und vermutlich zu Recht. Jede Wette, dass O’Brien enorm nachtragend war und jeden voll bezahlen ließ.
Sie sah mich an, und der Ärger in ihrem Blick galt nicht bloß mir. Vielleicht galt er all den Jahren, die sie als einzige Frau unter den Kollegen Dienst getan hatte, und vielleicht hatte die Arbeit sie verbittert oder sie war schon immer ein mürrisches, unwirsches Mädchen gewesen. Ich wusste es nicht, und es war mir eigentlich auch egal.
»Wer heutzutage einen internationalen Terroristen schnappt, braucht um seine Karriere nicht zu fürchten«, bemerkte ich.
Aber bei dem hasserfüllten Blick, den sie mir zuschoss, wäre ich fast zurückgezuckt. »Ja, und das scheinen Sie ganz genau zu wissen.«
Ich schüttelte den Kopf. »O’Brien, ich habe keine Laufbahn bei der Polizei zu absolvieren. Auch nicht bei der Bundespolizei. Ich bin Vampirhenker und berate die Polizei bei ihren Ermittlungen, wenn Gewaltverbrechen durch Monster verübt wurden. Dass Leute wie ich einen Dienstausweis haben, ist so neu und beispiellos, dass noch gestritten wird, ob wir diesen Rang behalten und ob wir befördert werden können. Ich bin für Ihre Beförderung bestimmt keine Gefahr. Wenn ich mir Lorbeeren aufsetze, nützt das meiner Karriere überhaupt nichts. Also greifen Sie zu.«
Ihr Blick milderte sich von hasserfüllt zu misstrauisch. »Was springt für Sie dabei heraus?«
Ich schüttelte den Kopf. »Haben Sie noch nicht verstanden, O’Brien? Was hat Webster gesagt – internationaler Spion, Industriespionage, Terrorismusverdacht, und das ist nur der Anfang der Liste.«
»Na und?« Sie faltete die Hände auf der Aktenmappe, als könnte ich sie ihr entreißen und damit abhauen.
»Er hat mich beschattet, O’Brien. Warum? Ich war noch nie im Ausland. Was kann ein internationaler Verbrecher von mir wollen?«
Sie runzelte leicht die Stirn. »Sie wissen tatsächlich nicht, warum er Ihnen gefolgt ist?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, und würde es Ihnen gefallen, wenn so jemand ständig hinter Ihnen herfährt?«
»Nein«, sagte sie und klang weicher, unsicherer. »Überhaupt nicht.« Als sie mich wieder ansah, war ihr Blick noch hart, aber nicht mehr so hart. Sie entschuldigte sich nicht, gab mir aber die Akte. »Wenn Sie es wirklich nicht wissen, dann sollten Sie sich ein Bild darüber machen, was für einen Fisch Sie an Land gezogen haben … Marshal Blake.«
Ich lächelte. »Danke, Detective O’Brien.«
Sie erwiderte das Lächeln nicht, schickte aber Detective Webster Kaffee holen. Sie bat ihn außerdem, eine frische Kanne zu kochen, bevor er uns welchen brachte. Detective O’Brien wurde mir immer sympathischer.
37
S ein Name war Leopold Walther Heinrick. Er war deutscher Staatsbürger. Ihm wurde fast jedes schwere Verbrechen zur Last gelegt, das einem einfallen konnte. Und mit schwer meine ich schwer. Er war kein Handtaschenräuber oder Trickbetrüger. Er stand im Verdacht, für
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