Finsteres Verlangen
nichts an Jean-Claude gebunden außer durch den Eid, den jeder Vampir seinem Meister schwört, und durch Liebe, vielleicht durch Liebe. Ich glaubte an die Liebe, aber ich glaubte auch an das Böse. Die Liebe überwindet nicht alles, das Böse auch nicht, aber es bescheißt.
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I n dem Moment kamen die Wölfe durch den Vorhang. Ihr Eintreten brachte alles kurz ins Stocken. Sie verdoppelten die Anzahl unserer Leibwächter. Ich brauchte Belle – oder Musette – nicht anzusehen, um zu wissen, dass ihnen das nicht gefiel. Es zeigte sich an der plötzlichen Anspannung der Schultern und Hände, und Musettes Gestalt trat deutlicher hervor.
Erst als ich Jason entdeckte, in seinem Outfit aus dunkelblauen Riemen, die sehr viel Haut freiließen, fiel mir auf, dass außer Stephen, der mit Micah gekommen war, bisher überhaupt keine Wölfe da gewesen waren, und das war ziemlich ungewöhnlich. Jean-Claude hatte sonst immer welche bei sich. Jason kam in seinen schwarzen Overknee-Stiefeln lächelnd herein, aber sein Blick hatte etwas Warnendes. Ich hätte erwartet, ihn ebenfalls mit Augen-Make-up zu sehen wie Micah und Nathaniel, aber er war ungeschminkt. Keiner der männlichen Wölfe war geschminkt.
Mit dem hereinströmenden Rudel, einem Meer schwarzen Leders, kam Richard ins Blickfeld, leicht zu erkennen. Ich hatte ihn ja schon kurz mit abgeschnittenen Haaren gesehen, aber jetzt waren sie noch kürzer. Bestimmt hatte der Friseur sein Bestes getan, aber mehr war eben nicht möglich gewesen. Es waren nur zwei, drei Zentimeter stehen geblieben. So kurz geschnitten wirkten die Haare dunkler, da die goldenen und rötlichen Strähnen fehlten. Außerdem sah er seinem älteren Bruder Aaron und seinem Vater verblüffend ähnlich. Die Ähnlichkeit war immer auffällig gewesen, aber jetzt sah er aus wie geklont.
Er trug einen schwarzen Smoking mit einem leuchtend blauen Hemd und einer passenden Fliege. Mit dem neuen Haarschnitt und den konservativen Klamotten wirkte er – deplatziert.
Er fing meinen Blick auf, und meine Verblüffung, wie gut er aussah, sandte ein Prickeln durch meinen Körper. Da die Haare nicht mehr vom Gesicht ablenkten, stachen seine scharf geschnittenen Züge hervor, und das Grübchen am Kinn konnte seine starke Männlichkeit nicht mehr mildern. Seine Schultern waren breit, seine Taille schmal; er war gebaut wie ein Football-Spieler.
Jamil und Shang-Da, seine persönlichen Leibwächter, flankierten ihn. Jamil trug schwarze Lederriemen statt eines Hemdes, dazu gewöhnliche Lederhosen und kurze Stiefel. Die leuchtend roten Perlen in seinen Cornrow-Zöpfen sahen zu seiner dunklen Haut und dem schwarzen Leder aus wie Blutstropfen. Er fing meinen Blick auf, und auch bei ihm spürte ich eine Warnung. Irgendetwas lag in der Luft. Aber was?
Shang-Da fühlte sich ohne seinen üblichen Anzug sichtlich unwohl, aber schwarzes Leder passte gut zu seiner stattlichen Größe. Er war der größte Chinese, den ich je gesehen hatte, körperlich geradezu beeindruckend. Er war ein Kämpfer und tat nichts anderes als seinen Ulfric zu beschützen. Er konnte mich nicht leiden, weil er Richard vor dem Leid, das ich ihm zufügte, nicht schützen konnte. Gegen emotionalen Stress sind sogar Leibwächter machtlos. Er wich meinem Blick aus.
Jason kam mit verführerischem Gang auf mich zugeschlendert. Als Stripper hatte er das drauf. Seine Körpersprache sagte Sex, sein Blick dagegen war düster, und als er bei mir ankam, legte er einen Arm um meine Schultern und drückte sich an mich, aber was er mir zuraunte, war kein Liebesgeflüster, sondern eine Warnung.
»Richard hat plötzlich Mumm in den Knochen und beschlossen, ihn als Erstes gegen Jean-Claude einzusetzen.« Sein Lächeln dabei war genauso verlockend und vielversprechend wie sein Gang. Er strich mir über den Rücken, spielte mit den Fingerspitzen an meinem Schlüsselbein.
Ich flüsterte an seinem Ohr: »Was bedeutet das?«
Er zog meinen Kopf näher heran, damit Richard und das Rudel mein Gesicht nicht sehen konnten. Es sah wie Flirten aus. »Richard will Jean-Claude alle Wölfe wegnehmen.«
Ich war froh, dass nur Jason mein Gesicht sah, denn ich konnte mein Entsetzen nicht verbergen. Ich hatte Mühe, mich zu beherrschen, und Jason lachte, als hätte ich etwas Neckisches gesagt. Er fasste mir an beide Wangen und verschaffte mir damit die Zeit, mich zusammenzureißen.
»Dich auch?«, flüsterte ich.
Er lächelte weiter, warf mir aber einen unglücklichen Blick zu. »Sogar
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