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Finsteres Verlangen

Finsteres Verlangen

Titel: Finsteres Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
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mich«, antwortete er mit sparsamen Lippenbewegungen.
    Plötzlich stand Shang-Da bei uns und griff nach Jasons Arm. Der wich geschickt aus. Aber selbst wer uns beobachtete, bemerkte wahrscheinlich nicht, was eigentlich los war.
    Ein tiefes Knurren kam aus Shang-Das menschlicher Kehle, das mir die Nackenhaare sträubte.
    Jason knurrte zurück, und er war mir so nah, dass es in mir vibrierte. Es jagte mir einen Schauder über den Leib, der mit Sicherheit von Weitem zu bemerken war.
    Richard rief nur kurz seinen Namen, und Shang-Da versuchte nicht noch mal, Jason beim Arm zu nehmen. Er senkte den Kopf und sagte knurrend: »Man kann nicht zwei Herren dienen.«
    Er versuchte, diskret zu sein, darum neigte er sich mir, nicht Jason zu. Ich glaube nicht, dass er sich Sorgen machte, ich könnte einen Happen aus seinem Gesicht beißen. Ich blickte zu ihm auf und fragte: »Hast du Befehl, Jason zu erinnern, wer sein Anführer ist?«
    Sein Blick glitt von Jason weg zu mir, und es war ein unfreundlicher Blick. »Was für Befehle ich habe, geht dich nichts an.« Er flüsterte es, damit unsere Gegner die Uneinigkeit in unseren Reihen nicht bemerkten. So wenig er mich leiden konnte, so wenig war er damit einverstanden, was Richard ausgerechnet in dieser Situation tat.
    Aus den Augenwinkeln nahm ich Bewegung wahr. Jean-Claude war zu Richard getreten, und sie sprachen leise und ernst miteinander. Jean-Claude neigte sich dichter heran, um flüstern zu können, doch Richard wich vor ihm zurück, gestattete keine Nähe.
    Ich sah Musette noch bei Asher stehen, aber sie waren nicht allein. Die Werleoparden bildeten einen Halbkreis um ihn, wehrten Musette nicht ab, machten aber deutlich, dass sie eingreifen würden, wenn sie ihn anfasste. Micah fing meinen Blick auf und nickte unauffällig. Das hieß: ich kümmere mich solange darum. Micah ließ sich nicht so leicht vom Wesentlichen ablenken. Merle überragte alle wie ein zorniger dunkler Lederberg und hielt die Augen auf die zierliche Gestalt in Weiß gerichtet. Musette stand da und sah aus, als wäre sie ganz sie selbst.
    Shang-Da blickte ebenfalls zu ihr hin, fast als witterte er, wo die Gefahr herkam. Wir drehten beide gleichzeitig den Kopf weg, und unsere Blicke trafen sich. Er war meinem Gesicht so nah; es hätte ein intimer Moment sein können, doch statt intim war er erschreckend, denn wir stimmten miteinander überein, und das war noch nie vorgekommen.
    Shang-Da missbilligte meine Zugehörigkeit zum Rudel. Darum hielt ich ihm nicht entgegen, dass ich der Bölverkr des Rudels war und die Befehle des Ulfrics mich sehr wohl etwas angingen, sondern ich argumentierte mit der augenblicklichen Situation. Ich flüsterte: »Was immer Richard vorhat, das ist die falsche Nacht dafür. Wir stecken in Schwierigkeiten.«
    In seinen Augen ging etwas vor, und er senkte den Blick, neigte sich aber noch ein bisschen näher, sodass seine kurzen schwarzen Haare meine Locken berührten. »Ich habe mit ihm gesprochen. Er hört heute Abend auf keinen.« Er sah mich an, und jetzt begriff ich die Regung in seinen Augen: Es war Schmerz. »Sylvie hat ihn auch schon überreden wollen, die Sache aufzuschieben, bis unsere Feinde wieder abgezogen sind.«
    »Ich sehe sie nirgends«, flüsterte ich.
    »Sie ist nicht bei uns«, hauchte er an meine Wange.
    Ich musste wohl erschrocken geguckt haben, denn er fügte hinzu: »Sie ist nicht tot.«
    Ich zog den Kopf ein bisschen zurück, damit ich seine Augen sehen konnte. »Er hat sie angegriffen?«
    »Sie hat ihn angegriffen.«
    Ich riss die Augen auf. »Er hat gesiegt.«
    Shang-Da nickte.
    »Ist sie verletzt?«
    Er nickte wieder.
    »Schwer?«
    »Ziemlich«, sagte er, und die Besorgnis über unsere Lage war ihm anzusehen. Morgen würde er mich wieder ablehnen, aber heute Abend mussten wir einer Gefahr trotzen, und Shang-Da war zu sehr Krieger, um das nicht einzusehen, auch wenn sein Ulfric es ignorieren wollte.
    »Jason muss mit mir kommen.« Er schlug keinen bittenden Ton an, denn das war unter seiner Würde, aber ich hörte eine gewisse Verhandlungsbereitschaft.
    »Vorläufig«, sagte ich.
    Jason hatte sich unauffällig hinter mich gestellt. Er benutzte mich als Schild gegen Shang-Da und nutzte das gleichzeitig aus, um mit seinem fast nackten Körper meinen samtbekleideten Rücken zu berühren. Er gab mir einen sanften Kuss auf den Nacken, der mich schaudern ließ. »Ich kann kein einfaches Rudelmitglied mehr sein, ich kann es nicht.«
    Ich verstand, was er meinte,

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