Finsteres Verlangen
jemanden bei dir hast.« Unwillkürlich zeigte er mit gespreizten Händen, dass er unbewaffnet und harmlos war. Unbewaffnet war er sicherlich, aber harmlos niemals. Er war ein gut aussehender Mann mit glatten, seidigen, langen Haaren, die blutrot waren. So sahen rote Haare aus, die sechshundert Jahre lang keine Sonne gesehen hatten. Seine grünen Augen leuchteten im Schein der Straßenlampe. Eine Katze hätte ihn um das Grün beneidet. Es war drei Töne heller als sein eng sitzendes T-Shirt. Ansonsten trug er schwarze Hosen, schwarze Lederschuhe und einen schwarzen Gürtel mit silberner Schnalle. Er hatte sich nicht in Schale geworfen, er trug immer solche Hosen und Schuhe. Die meisten Vampire aus Europa, die noch nicht lange bei uns waren, fühlten sich in Jeans und Joggingschuhen unwohl.
Ja, er war eine Augenweide, und ich spürte den Drang, meine Hände über seine weiße Haut gleiten zu lassen. Das war das Gefährliche an ihm. Es hatte nichts mit Liebe oder Lust zu tun. Durch eine Reihe von Notsituationen hatte ich ihn als meinen Diener an mich binden müssen. Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Ich meine, Vampire haben menschliche Diener, aber Menschen haben keine Vampirdiener. Allmählich verstand ich, warum die Ratsmitglieder jeden Nekromanten sofort töten wollten. Damian sah aus wie das blühende Leben, was bedeutete, dass er gerade erst an jemandem gesaugt hatte. Ich wusste, dass es ein williges Opfer gewesen war, weil ich ihm verboten hatte zu jagen. Er tat immer genau, was ich ihm sagte, nicht mehr und nicht weniger. Er gehorchte mir in allem, weil er keine andere Wahl hatte.
»Ich wusste, ich würde dich noch abfangen können«, sagte er.
»Ja, Fliegen hat seine Vorteile.« Kopfschüttelnd steckte ich die Pistole weg. Ich strich meinen Rock glatt, damit ich ihn nicht anfasste. Meine Handflächen schmachteten geradezu nach der Berührung. Er war nicht mein Liebhaber, aber mich verlangte nach Körperkontakt, wenn er in meiner Nähe war, auf eine Weise, die mir beunruhigend vertraut vorkam.
Ich atmete einmal tief durch, wenn auch ein bisschen zittrig. »Ich hatte Micah gebeten, erst jemanden zu schicken, wenn ich die Lage kenne.«
Damian hob entschuldigend die Hände. »Micah sagte, geh, also bin ich hier.« Er machte ein sorgfältig neutrales Gesicht, wirkte aber so angespannt, dass mir klar war, er wartete nur darauf, dass ich den Boten bestrafte.
»Fass ihn an«, sagte Asher.
Beim Klang der leisen Stimme hinter mir fuhr ich zusammen, aber wenigstens war er aus dem Wagen gestiegen.
»Wie bitte?«
»Fass ihn an, ma chérie, berühre deinen Diener.«
Die Hitze stieg mir ins Gesicht. »Merkt man mir das so sehr an?«
Er lächelte mich an, aber nicht heiter. »Genauso war es mit … Julianna.« Der Name war nur ein Flüstern, aber in der stillen Herbstluft deutlich zu hören. Es erschreckte mich ein bisschen, den Namen von ihm zu hören; er vermied es sonst möglichst, ihn auszusprechen oder jemanden ihn sagen zu hören.
»Ich bin selbst Diener eines Vampirs, aber ich habe nicht bei jeder Begegnung mit Jean-Claude den überwältigenden Drang, ihn zu berühren.«
Er hob den Blick. »Hast du nicht?«
Mir lag das Nein schon auf der Zunge, doch dann überlegte ich. Ich wollte ihn doch anfassen, wenn ich ihn sah, aber das war sexuelle Anziehung, die Erregung in einer relativ jungen Beziehung, oder nicht?
Ich zog die Brauen zusammen und wandte mich einer anderen Frage zu. »Hat Jean-Claude den gleichen Drang mich anzufassen?« Wie ich bei Damian, lautete der unausgesprochene Satzteil.
»Ziemlich sicher«, sagte Asher.
»Dann verbirgt er das gut.« Ich zog die Brauen noch mehr zusammen.
»Wenn er so viel nackte Begierde zeigen würde, wärst du längst auf und davon.« Er berührte mich ganz sacht am Ellbogen. »Es ist nicht meine Absicht, jemanden bloßzustellen, aber wir müssen heute Nacht Einigkeit demonstrieren … vor ihr. Wenn du Damian berührst, gewinnst du an Kraft. Ebenso Jean-Claude, wenn er dich und Richard berührt.«
Ich holte tief Luft und ließ sie langsam raus. In einem war ich mir völlig sicher: Richard würde heute Nacht nicht herkommen. Er war seit unserem Bruch nicht mehr im Zirkus gewesen. Dass ein Drittel unseres Triumvirats fehlte, schwächte uns. Er hatte versprochen, in einem Monat herzukommen, um Musette zu begrüßen, aber vorher würde er sich nicht blicken lassen. Darauf wettete ich mein Leben. Es war unmöglich zu sagen, was uns im Zirkus erwartete.
Ich sah
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