Finsteres Verlangen
möglichst weit kommen, bevor die Ardeur einsetzt, aber ich weiß natürlich, dass das für euch ziemlich hart ist.« Ich zuckte die Achseln. »Tja. Jetzt habe ich mich einmal darauf festgelegt, also ist es okay.«
Er zog die Brauen hoch. »Du bist nie überzeugend, wenn du lügst, ma petite.«
»Also, das stimmt aber nicht. Ich lüge sehr gut, vielen Dank.«
»Nicht bei mir.«
»Ich tue mein Bestes, Jean-Claude«, erwiderte ich achselzuckend und sah zur Decke, als könnte ich durch all die Mauern den Himmel sehen. »Aber eins steht für mich fest: Ich will das bis zur Dämmerung erledigt haben. Ich will auf keinen Fall, dass euch mittendrin das Lebenslicht ausgeht.«
»Ma petite findet es nach wie vor enervierend, dass wir bei Sonnenaufgang sterben«, sagte Jean-Claude.
»Wie spät ist es?«, fragte Asher.
Ich sah auf die Uhr. »Es bleiben ungefähr zweieinhalb Stunden.«
»Kaum genug«, sagte Asher, und seltsamerweise gab Jean-Claude dieses leise maskuline Lachen von sich, das nur Männer drauf haben und nur wenn es um Frauen oder Sex geht. Ich war mir nicht sicher, ob ich es jemals von ihm gehört hatte.
Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich die einzige Frau im Zimmer und sie beide Männer waren. Ich meine, klar, wusste ich das, aber … plötzlich spürte ich es. Es war, wie wenn man eine Bar betritt und einem alle Blicke folgen; man fühlt sich wie eine Gazelle unter Löwen.
Wenn mich nur einer der beiden so angesehen hätte, ich glaube, ich hätte Reißaus genommen. Aber sie taten es nicht. Jean-Claude kroch aufs Bett, noch vollständig bekleidet, und streckte mir die Hand entgegen. Ich blickte auf die langen, blassen Finger, bei denen selbst die kleinste Bewegung elegant aussah. Asher gab meiner Hand einen sanften Druck.
Wenn ich jetzt kniff, wäre das das Ende der Geschichte. Und sie würden mich nicht einmal drängen. Asher würde einfach gehen, vielleicht nicht mehr heute Nacht, aber bald. Und das wollte ich nicht.
Ich nahm Jean-Claudes Hand und ließ mich sanft aufs Bett ziehen. Aber Seide ist rutschig, besonders wenn man Seidenstrümpfe trägt. Die Männer griffen nach meinen Armen, als ich mit dem Knie von der Bettkante rutschte, und halfen mir hinauf.
»Wie kommt es, dass du nie abrutschst, wenn du Seide trägst?«, fragte ich Jean-Claude.
»Jahrhundertelange Übung«, antwortete er.
»Ich erinnere mich an eine Zeit, da du noch nicht so geübt warst«, sagte Asher. »Weißt du noch, die Duchesse Vicante?«
Jean-Claude bekam einen Hauch Pink auf die Wangen. Ich hatte gar nicht gewusst, dass er erröten konnte. »Was ist passiert?«, fragte ich.
»Ich bin gefallen«, sagte er, versuchte einen würdevollen Ton und scheiterte, weil er schmunzeln musste.
»Er verschweigt, dass er sich das Kinn an einem silberbeschichteten Spiegel aufgeschnitten hat, der kaputt ging, als er von der Duchesse heruntergefallen ist. Überall war Blut, und der gehörnte Gatte kam die Treppe herauf.«
Ich sah Jean-Claude an. Der nickte achselzuckend.
»Und was ist dann passiert?«, fragte ich.
»Die Duchesse schnitt sich mit einer der Scherben und machte dem Gatten weis, es sei ihr eigenes Blut. Sie war eine sehr findige Dame, die Duchesse Vicante.«
»Ihr kanntet euch also schon, als ihr noch nicht so formvollendet elegant wart.«
»Ja«, sagte Jean-Claude. »Asher konnte mir beim Lernen zusehen. Er war schon fünf Jahre bei Belle, als ich an den Hof kam. Wenn er raue Kanten gehabt hatte, so waren sie da schon abgeschliffen.«
»Ich hatte welche, mon ami«, sagte Asher und lächelte. Ich wurde überschwemmt mit Erinnerungen: sein Lächeln unter langen Locken und einem Federhut, sein Lächeln bei Kerzenschein, beim Schachspiel, während Julianna am Kamin saß und nähte, sein Lächeln auf zerwühlten Laken bei Juliannas Gelächter.
Es war lange her, seit wir dieses Lächeln gesehen hatten. Wir zogen ihn zu uns, und das Lächeln verschwand. Jean-Claude fegte die Bettdecke beiseite. Das Laken war ein bisschen blauer als Ashers Augen, himmelblau, wie der Himmel bei Sonnenschein. Asher kniete sich darauf, als traute er sich nicht, sich zwischen uns zu legen. Seine Halsschlagader pochte sichtlich, und nicht weil das bei Vampiren so war, sondern aus Angst.
Asher hatte Angst. Ich konnte es hinten auf der Zunge schmecken. Ich konnte es schlucken, das Bukett genießen wie bei einem guten Wein, der den Appetit anregt.
Die Angst weckte das Tier in mir, Richards Tier. Es wälzte sich und streckte sich in mir, wie um
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