Finsterherz
König. »Was weißt du?«
Aber Jakob hielt sich an seinem Bier fest und sagte nichts.
Mathias schaute dem alten Mann ins Gesicht und versuchte sich zu erinnern. König drehte sich zu ihm um und winkte ihn heran. Er erhob sich und kam herüber.
»Dieser Junge«, sagte König, »ist Meiserlanns Enke l – Mathias.«
Jakob drehte den Kopf und betrachtete Mathias lange und eingehend, dann wandte er sich wieder König zu. »Lügner«, sagte er leise, aber in eisigem Ton. »Meiserlann hatte keinen Enkel. Keine Frau, keine Kinder, keinen Enkel. Nur mich. Merkst du was?«, höhnte er.
Er zog seine Fäustlinge aus und hielt König seine Hände vors Gesicht. Jetzt sah Mathias, warum er seinen Bierkrug so seltsam hielt. Er hatte keine Daumen.
»Das haben sie mit mir gemacht«, sagte er. »Drei Tage, und ich hab ihnen nichts gesagt. Und du denkst, ich würde dir was über Meiserlann verraten, Lügenbold?«
Er zog die Handschuhe wieder an, wobei er die Zähne zu Hilfe nehmen musste, um sie über die Gelenke zu ziehen.
»Meiserlann ist tot«, sagte König.
Jakob zögerte einen Moment. Dann zog er auch den zweiten Handschuh übers Handgelenk. »Lügner«, sagte er.
Er stand auf, wandte König betont den Rücken zu, schlurfte zur Tür, ging die schmale Treppe hoch und trat hinaus in die dunkle Gasse.
Verloren und wiedergefunden
König war sofort auf den Beinen. Schnell sagte er in der Köhlersprache etwas zu Stefa n – kurze, knappe Worte, die nur Anweisungen sein konnten. Dann wandte er sich an Katta und Mathias.
»Stefan bringt euch zurück zum Gasthaus«, sagte er. »Bleibt unten am Kamin, wo jeder euch sehen kann und ihr alle anderen sehen könnt. Dort kann euch niemand etwas tun. Rührt euch nicht von der Stelle, bis ich zurückkomme. Habt ihr verstanden?«
Er blickte ungeduldig zur Tür, als hätte er schon zu viel Zeit vergeudet. »Ich muss wissen, wohin er geht«, sagte er. »Weit kann es nicht sein.«
Bevor Katta auch nur den Mund aufmachen konnte, war er verschwunden.
Es war das Schlimmste, was er hatte tun könne n – er hatte sie mit Stefan allein gelassen. Als sie sich zu Stefan umdrehte, blickte er sie an, als wüsste er nicht, wie er die Gelegenheit, die ihm so unverhofft in den Schoß gefallen war, nutzen könnte. Ihr war klar, was er plante, aber sie war entschlossen, ihn daran hindern. Sie wandte sich an Mathias. »Wir können auch hier warten«, sagte sie rasch. »König wird nicht lange weg sein.«
Aber Mathias hörte nicht zu. In seinen Ohren hallten noch immer Jakobs Worte wider: Keine Frau. Keine Kinder. Keine Enkel .
Katta zupfte ihn am Ärmel. »Wir können hier warten«, wiederholte sie. »Was meinst du?«
»Keine Enke l – das kann nicht stimmen«, sagte er.
»Natürlich nicht«, pflichtete sie ihm bei. »Er ist der falsche Mann. Jakob muss von jemand anders gesprochen haben. Wir brauchen einfach nur hier zu warten, hörst du?« Ihr Ton wurde flehend. »Wir warten einfach hier, ja?«
Sie setzte sich auf die Bank. Aber Stefan erhob sich. Er legte einen Arm auf Mathias’ Schulter, der sich zu ihm umdrehte und ihn verständnislos anblickte.
»Wir gehen zu Gasthaus«, sagte Stefan, als habe er seine Worte mit großer Sorgfalt gewählt. »Wir machen, was König sagen uns.«
Dann blickte er Katta an. »Du machen auch, was der König sagen uns.« Es klang wie eine Drohung.
» Uns sagt «, verbesserte Katta. »Nicht sagen uns . Und wir können genauso gut hier warten. Du bist auf dem Holzweg, wenn du glaubst, dass ich mit dir gehe, Köhlerjunge.«
Stefan hatte Mathias bereits am Arm gefasst und schob ihn Richtung Tür.
Katta blieb trotzig sitzen; sie hatte erwartet, dass Stefan stehen bleiben und mit ihr herumstreiten würde, aber das tat er nicht. Er schob Mathias durch die Tür und machte sie hinter sich zu. Katta starrte eine ganze Weile darauf, da sie überzeugt war, sie würde jeden Moment wieder aufgehen; die beiden mussten doch wieder zurückkommen! Aber sie kamen nicht zurück und plötzlich fand sie es überhaupt nicht mehr gut, so allein im Bären zu sitzen.
Es waren jetzt weniger Leute da, und wie sie aussahen, gefiel ihr gar nicht. Sie kannte diese Sorte: Männer mit fleischigen Gesichtern, die viel tranken und immer wieder unvermittelt laut und schmutzig lachten.
»Bist du jetzt allein, Süße?«, hörte sie eine Stimme neben sich.
Sie hatte den Mann nicht aus dem Schatten des ausgestopften Bären heraustreten sehen, aber er musste sie schon eine ganze Weile
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