Finsternis über Gan (German Edition)
aber man spürt: Dieselben finsteren Mächte sind am Werk.« Alfrigg trank in einem Zug ein Glas Wasser aus, während Finn ihmfasziniert zuschaute. »Tja, und dann wurden Stimmen lauter, die sagten, dass wir mit unserer bisherigen Regierungsform nicht Herr über die Lage werden könnten. Eine weise Frau im Hintergrund, damit war natürlich die ehrwürdige Nebijah gemeint, reiche nicht aus, um gegen diese Bosheit vorzugehen. Wir bräuchten dringend einen König. Alle großen Reiche der Weltgeschichte hätten einen König gehabt. Warum nicht Gan?«
»Und was hat Nebijah dazu gesagt?«, erkundigte sich Finn.
»Die war natürlich gegen den Vorschlag. Sie hat uns alle gewarnt. Wenn wir einen König hätten, müssten wir diesem auch gehorchen, meinte sie. Der einzige König, den wir bräuchten, wäre der Schöpfer der Lebensströme. Aber alle Warnungen stießen auf taube Ohren. Auch bei mir, muss ich gestehen. Die Bewohner Gans entschieden sich mit großer Mehrheit dafür, einen König zu wählen.«
»Und wer ist euer König geworden?«, wollte Finn wissen.
»Farlon ist unser König. Seine Majestät Farlon I.«, sagte Alfrigg.
»Farlon? Ist das nicht der Bürgermeister aus dem Dorf, in dem Daniel und Davina leben?«
»Genau der. Er war Bürgermeister von Änosch. Die meisten meinten, er hätte als Bürgermeister eine gewisse Erfahrung im Regieren. Na ja, am Anfang hat er seine Sache auch ganz gut gemacht.«
»Und dann?«
»Er hat sich verändert – war gar nicht mehr so freundlich und gütig. Er wurde seltsam. Wir dachten, dass diese Veränderung etwas mit den schweren Aufgaben zu tun hätte, die er ja nun zu bewältigen hatte. Aber dann hat er viele Entscheidungen gefällt, die, sagen wir mal, nicht hilfreich waren.« Alfrigg atmete tief durch und erzählte ausführlich über das Leben in Gan unter der Herrschaft von König Farlon I., über die Zusammenstellung des Rates, über Erzminister Thainavel, der auch ein Cousin des Königs war, über die Stimmung im Land, darüber, dass Menschen, Tiere, Lichtalben und Bergmännchen nur noch selten zur Quelle gingen.
Er berichtete von der Leidenschaft des Königs für technische Errungenschaften und nicht zuletzt berichtete er vom »Gesetz zur Förderung der Gemeinschaft Gans mit den vier Enden der Erde«.
Finn war fassungslos. »Das kann doch nicht sein Ernst sein! Hat er denn alles vergessen, was vor einem Jahr passiert ist? Wie wir gegen die Schwarzalben und Harah gekämpft haben, wie der silberne Pelikan sein eigenes Leben gegeben hat, damit das Wasser der Lebensquelle wieder sprudelte, und wie wir gemeinsam den geheimnisvollen Schutz für Gan wieder in Kraft setzten? Niemals dürfen die Menschen von den vier Enden der Welt nach Gan gelassen werden, außer sie sind wie die Amulettträger dazu bestimmt! Wie kann er die Quelle nur dieser Gefahr aussetzen?«
»Das hat ihm Elbachur wohl auch gesagt. Er war aber der Einzige im ganzen königlichen Rat, der diese Position vertreten hat«, pflichtete Alfrigg ihm bei.
»Wie kann jemand nur so blind sein? Dass er Handel treiben will, kann ich verstehen. Auch dass er sich für die Technik begeistert, die es bei uns gibt, aber das ist doch kein Grund, die Quelle dieser Gefahr auszusetzen. Außerdem ist unsere Welt gewiss nicht besser, nur weil wir mehr Handel treiben und technische Geräte haben wie Telefone oder Computer. Im Gegenteil! Manchmal wird damit auch großer Schaden angerichtet. Das müsste mal jemand dem König sagen.«
»Genau deshalb bin ich hier.« Das Bergmännchen sah Finn direkt in die Augen und schob sich ein weiteres Wurstbrot in den Mund
»Was?« Ungläubig musterte Finn das Bergmännchen. »Du meinst, ich soll Farlon das erklären?«
»Du und die anderen Träger der Amulette. Zu jedem von euch ist einer von uns gereist.«
Finn war sprachlos. Tausend Fragen schossen ihm durch den Kopf: »Zu den anderen ist auch jemand gereist? Wer? Und alle auf dem Landweg? Warum hat uns nicht Nebijah gerufen, so wie das letzte Mal? Wie soll das alles funktionieren? Und …?«
Das Bergmännchen hob abwehrend die Hände und brummte: »Langsam, langsam, so viele Fragen kann ich mir ja kaum merken. Also«, begann es aufzuzählen, »Daniel ist zu Pendo in den Süden gereist, Alon zu Chika in den Osten und Elbachur zu Joe in den Westen.« – »Wow«, entfuhr es Finn.
»Die interessantere und entscheidende Frage ist die nächste. Wie gesagt, die Hüterin der Lebensströme war gegen die Königswahl. Als wir uns dennoch
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