Finsternis über Gan (German Edition)
doch eine super Idee, oder? Ein paar Mal habe ich das auch so gemacht.«
Finn schaute Alfrigg verdutzt an. »So habe ich das noch nie gesehen.«
»Die Zwerge hier sind auch gar nicht so übel, wie ich früher immer dachte«, sagte Alfrigg und biss herzhaft in einen Apfel. »Sind nicht alles so gemeine Diebe wie diese Kerle, die uns letztes Jahr gefangen hatten. Du erinnerst dich gewiss.«
Und wie sich Finn erinnerte! Es waren wirklich gierige kleine Wichte gewesen, die nur hinter dem Gold der Bergmännchen von Gan her waren.
»Na ja, heute Nachmittag lief ich über diesen großen Platz mit dem schönen alten Haus, und da habe ich zufällig dich gesehen.«
»Dann habe ich mich also doch nicht getäuscht«, sagte Finn. »Aber warum hast du dich versteckt, als ich zu dem Brunnen lief?«
»Weil, weil …« Alfrigg wollte nicht so recht mit der Sprache heraus. Schließlich sagte er: »… weil da gerade ein Schwarzalb um die Ecke kam.«
»Ein was?«, rief Finn lauter als beabsichtigt. »Ein Schwarzalb, hier in Frankfurt?!«
»Aber natürlich«, sagte Alfrigg verblüfft. »Sie sind hier überall in dieser Welt, und in deiner Stadt sind es sogar besonders viele. Nur in Rom und Wien habe ich ähnlich viele gesehen. Schrecklich, ich wusste ja nicht, wie viele es von diesen grässlichen Dingern wirklich gibt. Jedenfalls habe ich mich dann gleich wieder versteckt. Die Zwerge haben mir nämlich erzählt, dass die Schwarzalben sie nur zu gerne schikanieren.«
Finn spürte, wie es ihm bei diesen Worten eiskalt den Rücken herunterlief. Nebijah, die Hüterin der vier Lebensströme in Gan, hatte ihnen zwar von den für die Menschen unsichtbaren Schwarzalben an den vier Enden der Erde erzählt, aber er hatte diesen Gedanken gerne verdrängt. Zu schlimm waren die Begegnungen mit den Schwarzalben in Gan gewesen. Er wollte gar nicht wissen, wie viele sich in seiner Umgebung befanden. Nervös blickte sich Finn um. Der Park, der ihm bisher in der lauen Sommernacht so angenehm erschienen war, wirkte auf einmal kalt und beängstigend.
»Lass uns erst mal reingehen, da können wir in Ruhe über alles reden«, sagte er eilig zu Alfrigg. »Möglicherweise belauscht uns hier ein Schwarzalb.«
»Nein, hier ist keiner. Die kann ich auf hundert Meter Entfernung riechen«, stellte Alfrigg trocken fest.
»Trotzdem, komm. Wir müssen allerdings vorsichtig sein. Meine Mutter darf dich nicht sehen.«
Einige Minuten später saßen sie in Finns Zimmer. Einmal hätte Alfrigg auf dem Weg dorthin fast laut aufgeschrien, als er beim Blick ins Wohnzimmer den Fernsehbildschirm gesehen hatte, eines der vielen elektrischen Geräte in unserer Welt, die es in Gan nicht gab. Nun saß er erschöpft auf einem Sitzkissen, gut versteckthinter einer Regalwand, trank ein Glas Wasser nach dem anderen und mampfte Berge von Wurstbroten, die Finn für ihn geschmiert hatte.
Mit vollem Mund sagte er: »Deine Welt ist wirklich seltsam, Finn. Hier gibt es so viele Dinge, die es bei uns nicht gibt. Diese Geräte sind einfach unfassbar. Irgendwie kann ich die Begeisterung des Königs verstehen, wenn ich das alles sehe.«
»Was für ein König?«, fragte Finn.
»Der König von Gan, natürlich.«
Finn schaute das Bergmännchen irritiert an.
»Ach ja, das weißt du ja alles gar nicht. Am besten fange ich von vorne an, damit du verstehst, warum ich hier bin«, begann Alfrigg zu erzählen.
»Na, auf die Geschichte bin ich aber gespannt«, sagte Finn neugierig.
»Als ihr Gan verlassen habt, waren wir noch im größten Glück. Harah war besiegt, die Quelle des Lebens sprudelte wieder und die vier Lebensströme hatten sich neu mit Wasser gefüllt. Was für ein glücklicher Tag. Die Welt schien wieder in Ordnung zu sein. Wochenlang waren wir damit beschäftigt, Schwarzalben einzufangen, böse Zwerge und diebische Menschen ausfindig zu machen, die in unser Land eingedrungen waren, um sie wieder hinauszubringen. Obwohl die ehrwürdige Nebijah, die Hüterin der Lebensströme, uns vorgewarnt hatte, hofften wir doch, unser ganz normales Leben in Gan weiterführen zu können. Aber wir hatten uns getäuscht. Missgunst und Zwietracht breiteten sich aus. Unser Land war nicht mehr dasselbe. Es war, als ob Harah und seine Schwarzalben immer noch ihr Gift über uns ausschütteten.«
»Gan wurde unserer Welt ähnlicher, nicht wahr?«, überlegte Finn.
»Ja, vielleicht hast du recht. Im Vergleich zu deiner Welt macht Gan zwar immer noch einen sehr heilen und friedlichen Eindruck,
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