Finsterwald: Fantasy-Roman (German Edition)
dunklen Korridor. Sie war durch ein fahles Glühen sichtbar. Fackeln erleuchteten den Weg. Carina folgte Raen die Hintertreppe hinunter bis zum zweiten Absatz. Der Geist blieb vor einer Tür stehen. »Dieser Flügel des Gebäudes wurde nicht renoviert«, meinte Carina. »Derzeit lebt niemand hier.«
Raen glitt durch die geschlossenen Türen aus Holz hindurch. Carina griff sich die nächstbeste Fackel und nahm sie aus der Halterung an der Wand. Keine Fußspuren waren auf dem staubigen Boden zu sehen, nur die winzigen Trittspuren von Mäusen. Es war kalt und Carina schauderte. »Wie weit ist es?«
Raen winkte ihr zu folgen. Sie gingen an einer langen Reihe verlassener Schlafzimmer vorbei. Der Korridor roch schimmelig, als sei er feucht geworden. Am Ende des Flurs kamen sie an eine Treppe, die in die Dunkelheit hinabführte.
»Das ist der Ostflügel, nicht wahr?«, fragte Carina und sah von dem Geist die dunklen Stufen hinab. »Da unten ist es gefährlich – Jonmarc sagte, das sei dort, wo die Mauern zusammengestürzt sind, als der Orb gestohlen wurde.«
Raen wies mit ihrer nichtstofflichen Hand den Weg. Carina wich zurück. »Wir sollten warten. Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist.«
Raen kam zurück in den Korridor, wo ein winziger Lichtstrahl sich durch ein schmutziges Fenster gekämpft hatte. Der Staub auf dem Boden begann sich zu bewegen. Diesmal malte der Geist einen Baum mit nackten Zweigen und darunter ein Wort: »Verstehen.«
Carina sah Raen an. »Die Macht, die mich letzte Nacht berührt hat, diese Präsenz, die es mir so schwer macht, zu heilen – das ist es, was ich verstehen soll?«
Raen nickte.
Carina wog ihre Furcht gegen die Möglichkeit ihrer langsam schwächer werdenden Kraft ab. »Kann ich den Boden sicher erreichen? Du kannst durch massiven Stein gehen, aber ich nicht.«
Raen ging zur Tür. Als sie die Stufen hinabgingen, begann Raens Gestalt zu glühen. Ihr Licht und das der Fackel beleuchteten die finsteren Treppen. Es war so eng und gekrümmt, dass Carina annahm, es sei eine Treppe für die Dienerschaft. Sie zog eine Grimasse, als Spinnweben ihr Gesicht streiften. Keiner außer den Geistern war seit langen Jahren hier entlanggekommen. Carina zählte die Stufen, als sie hinabstiegen, und notierte sich im Geist die Treppenabsätze. Sie gingen immer weiter, als die Treppe immer kälter und die Luft dumpfer wurde. Carina war sicher, dass sie jetzt unter der Erdoberfläche waren. Endlich hielten sie in einem Vorzimmer an. Im Fackellicht konnte Carina sehen, dass tiefe Risse durch die Steinmauern gingen. Hinter dem nächsten Türbogen wurde die Dunkelheit durch ein silbriges Glühen unterbrochen. Vorsichtig bahnte sie sich einen Weg durch das felsige Geröll auf dem Boden und erkannte, dass der Torbogen in eine natürlich entstandene Höhle führte.
Raen schwebte neben ihr, als Carina hindurchging. In der Höhle lagen große Felsbrocken auf dem Boden herum. Die Wände glänzten vor Kristall und in der Ferne konnte Carina einen Wasserfall hören. Ein Türrahmen am anderen Ende der Kammer war eingestürzt. Irisierendes Licht erfüllte die Höhle mit einem schwachen Leuchten.
Einmal zuvor, während eines Ostmark-Winters, hatte Carina die Geisterlichter im kalten Nachthimmel gesehen. Das Band aus farbigem Licht glänzte gelb und grün und war in breiten Streifen in die Dunkelheit gemalt. Wie die Geisterlichter wechselte das Licht, das die Höhle erhellte, die Farben, so, als wäre die Luft von Diamantstaub erfüllt. Die Wände schimmerten, als das Licht die Kristalle traf und von den Millionen kleiner Facetten widergespiegelt wurde.
Carina konnte die Macht um sie herum spüren wie ein Gewitter, das direkt über ihr schwebte. Das ist der Strom .
Das Glühen wurde heller, seine Farben begannen zu wechseln. Die ruhigen gelben und grünen Töne verschwanden. Das Glühen nahm ein tiefes Pink und ein feuriges Rot an, als reflektiere es einen farbigen Sonnenuntergang. Gleichzeitig spürte Carina, wie sich die Macht nach ihr ausstreckte. Neue Bilder erfüllten ihren Kopf. Sie spürte die Zerstörung des Stroms wie einen Schock in ihrem Herzen, sie rang nach Luft, als Schmerz sie durchfuhr, sie sah, wie Arontala in einem flammend blauen magischen Licht den Orb von seinem Podest herunterriss. Bilder von dunkler Magie pressten sich in ihre Gedanken, als sie Arontala und seine Magier sah, wie sie den verwundeten Strom dazu zwangen, ihre Blutzauber zu wirken. Aus der Ferne konnte Carina ihre
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