Finsterwald: Fantasy-Roman (German Edition)
einer Gelegenheit!«
Jonmarc ging durch die eisenbeschlagenen Türen hinein. Der Geruch von gebratenem Lamm stieg ihm in die Nase, von gebackenem Brot und das Aroma von heißem gewürztem Wein. Dark Haven schien einen Festtag zu erwarten. Auch wenn die Vayash Moru keine sterbliche Nahrung benötigten, bereitete das Gesinde mit Eifer das Festmahl für die Dahingeschiedenen vor – oder, wie es meist genannt wurde, Spuken.
»Spuken hier vorzubereiten ist wirklich etwas Besonderes, das ist mal sicher.«
Neirin grinste. »Nirgendwo in den Winterkönigreichen werdet Ihr die Bewohner so freundlich mit den Dahingeschiedenen umgehen sehen.Vielleicht in Margolan, das ja einen Seelenrufer zum König hat.«
»Solange ich noch unter den Lebenden weile, betrachte ich das als Gewinn«, sagte Jonmarc und verabschiedete sich von Neirin, um in seine Räume zu gehen.
Jonmarc hatte gerade die Tür hinter sich geschlossen, als die Zimmertemperatur plötzlich um einige Grade fiel. Er spürte ein Prickeln im Nacken und wusste, dass einer der Geister des Landsitzes in der Nähe war. Er drehte sich um und erkannte aus den Augenwinkeln gerade noch die kaum wahrnehmbare Gestalt eines Mädchens. Sie glitt ans andere Ende des Raums und verschwand in der grauen Steinwand. Jonmarc sah ihr schweigend hinterher.
»Lasst Euch von unserer schönen Maid nicht beunruhigen.«
Jonmarc drehte sich um und sah seinen Kammerdiener Eifan hinter sich stehen. Eifan hatte die dunklen Augen und das düstere Aussehen eines Trevathers, auch wenn seine sterblichen Tage schon über zweihundert Jahre zurücklagen. Er war ein flinker, drahtiger Mann und bewegte sich mit der Schnelligkeit eines Raubvogels.
»Ich denke, dass unser Mädchen wohl etwas zu früh ist für Spuken«, sagte der Vayash Moru und legte die letzten Waschutensilien neben eine Wanne mit dampfend heißem Wasser.
»Ich habe sie schon einmal gesehen. Kanntest du sie? Ich meine, lebend?«
Eifan schüttelte den Kopf. »Viele der Geister Dark Havens sind älter als selbst ich, m’Lord. Es heißt, das Mädchen sei die Tochter eines der Herren von Dark Haven und an der Pest gestorben. Es wird erzählt, dass sie nach einem Heiler suche, der trotz seines Versprechens nie hier zum Landsitz kam.«
Er hielt Jonmarc ein Handtuch hin. »Ihr habt einen wichtigen Abend vor Euch, m’Lord. Lord Gabriel hatte Geschäfte mit den Großen Häusern, um diesen Abend vorzubereiten. Ich denke, er kommt bald zurück.«
»Zu bald, da bin ich sicher.«
Obwohl die Vayash Moru nach sterblichen Maßstäben generell schweigsam waren, hatten einige Monate in der Gesellschaft derselben Jonmarc eine gewisse Hellhörigkeit verliehen – mehr, als er sich je hatte erträumen lassen. »Was geht dir im Kopf herum, Eifan?«
»Es ist nicht an mir, das zu sagen, m’Lord.«
»Daran hat mir noch nie etwas gelegen.«
Eifan schwieg für einen Moment. »Ich habe drei Herren hier in Dark Haven gedient. Niemand hat gleich zu Beginn so einen guten Eindruck gemacht wie Ihr. Ich wünschte, Ihr würdet Erfolg haben. Es gibt einige, m’Lord, die diese Ansicht nicht teilen. Ihr seid der einzige Sterbliche heute Abend beim Blutrat. Einige meiner Art könnten damit nicht einverstanden sein, dass ein Sterblicher über uns herrscht.«
»Mein ganzes Leben lang haben Sterbliche versucht, mich umzubringen. Ich bin an rüde Gesellschaft gewöhnt.«
»Nehmt Euch vor Uri und seiner Brut in Acht, m’Lord. Er will Euren Titel für sich haben. Ich glaube nicht, dass jemand so vermessen wäre, in Gabriels Anwesenheit gegen Euch vorzugehen. An Eurer Stelle würde ich aber nicht alleine nach Hause gehen.«
»Ich werde das beherzigen.«
»Es heißt, dass die Lady sich einen Sterblichen aussucht, um Dark Haven zu regieren. Die, die in der Nacht umgehen, sollen so beschützt werden«, sagte Eifan leise. »Viele glauben, wir werden zu arrogant unseren sterblichen Nachbarn gegenüber, wenn Dark Haven einen Vayash Moru als Herrscher hat, der niemals altert und niemals stirbt.«
Das war Jonmarc nicht neu. »Und ich bin also deiner Meinung nach hier, damit das nicht passiert?«
»Ein sterblicher Herr kann die Bedürfnisse der Vayash Moru und auch der Sterblichen besser beurteilen.«
»Also warum sorgst du dich dann? Ihr braucht einen Sterblichen, ich bin hier und Gabriel erzählt mir ständig, dass ich die Wahl der Lady bin. Auch wenn ich keine Ahnung habe, woher er das wissen will.«
»Es ist der Wille der Dunklen Lady. Sterbliche sagen, dass Istra
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